Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
immer noch daran interessiert, den Führerschein zu machen?«
»Unbedingt.«
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Sie frage, warum Sie ihn nicht früher gemacht haben?«
»Nein.« Gillian verschränkte die Arme vor der Brust. »Als ich auf der High School war, hat jeder seinen Führerschein gemacht. Mein Großvater bat mich, ihn nicht zu machen. Er meinte, er und meine Großmutter ängstigten sich jedes Mal zu Tode, wenn ich mich hinter das Steuer setzte.« Sie schlang die Arme um sich. »Vor dem Hintergrund dessen, was meinen Eltern zugestoßen ist, konnte ich seinen Wunsch einfach nicht abschlagen.«
»Deshalb haben Sie ein Versprechen abgegeben.«
»Deshalb habe ich ein Versprechen abgegeben.«
»Und es gehalten.«
»Natürlich. Aber meine Großeltern sind jetzt beide tot, und die Umstände haben sich geändert. Glücklicherweise bin ich die meiste Zeit meines Erwachsenenlebens in Städten herumgereist, wo das Fehlen eines Führerscheins kein großes Problem darstellte. Aber ich verstehe gut, warum hier jeder seinen Führerschein macht. Es ist die einzige Möglichkeit, irgendwo hinzukommen. Keine Taxis, keine Busse, keine Züge.«
»Keine U-Bahnen«, fügte er nicht allzu ernst hinzu.
Gillian kicherte. »Keine U-Bahnen.« Sie löste ihre Arme und griff nach den Broschüren und Formularen. »›Lerne deine Verkehrszeichen kennen‹«, las sie laut vor. Sie nahm sich das nächste Heft vor. »›Alles, was Sie wissen müssen, um im Staat Indiana eine Fahrerlaubnis für Anfänger zu bekommen‹.« Sie sah hoch. »Spannende Titel.«
»Wenn Sie jede Verkehrssituation und jedes Verkehrszeichen genau studiert und sich eingeprägt haben, melde ich Sie zu einer schriftlichen Prüfung an. Falls Sie bestehen …«
Sie unterbrach ihn. »Wenn ich bestanden habe …«
»Also gut, wenn Sie also bestanden haben, bekommen Sie Ihre vorläufige Fahrerlaubnis, und wir fangen mit den Fahrstunden an.«
»Danke, Sam.«
»Keine Ursache.« Er nahm einen Schnellhefter heraus. »Ich habe hier noch ein paar Papiere, auf die Sie ebenfalls einen Blick werfen sollten.«
»Eine Erbin hat nie frei«, sagte sie. Sie konnte einfach nicht widerstehen, ihn ein wenig zu necken.
»Noch Fragen?«, fragte er einige Zeit später.
»Ja, in der Tat.« Gillian überlegte kurz. Seit sie in Sweetheart angekommen war, nagte diese Frage schon an ihr: »Wie gebe ich diese Stadt zurück?«
Die Frage traf Sam völlig unerwartet. Er runzelte die Stirn. »Ich fürchte, ich verstehe nicht.«
»Ich will sie nicht.«
»Sweetheart?«
Sie nickte. »Was auch immer mir hier an Geschäften und Besitztümern gehört, ich will sie nicht.«
Sam atmete tief ein und straffte die Schultern. »Jacob hat für diesen Fall vorgesorgt: Sie können tun und lassen, was Ihnen beliebt, aber nicht vor Ablauf der sechs Monate.«
Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und verbarg das Gesicht in den Händen. Es vergingen ein, zwei Minuten, bevor sie wieder hochsah. »Wieso hat mein Großvater das in einen Treuhandvertrag geschrieben?«
»Vielleicht, weil er glaubte, Sie würden besser und klüger entscheiden, wenn Sie uns hier erst einmal kennen gelernt hätten.«
Sie ließ die Arme sinken. »Offensichtlich wollte er, dass ich Sie hier kennen lerne.«
»Sieht so aus.«
Sie atmete tief aus. »Ich habe heute von Minerva Bagley erfahren, dass mein Großvater während seiner Ausbildung zum Infanterieoffizier eine Weile hier verbracht hat.«
»Niemand weiß über diese Stadt und ihre Geschichte besser Bescheid als Minerva. Wahrscheinlich weil seinerzeit niemand mehr über Sweetheart wusste als Bert Bagley.«
»Bert und mein Großvater waren alte Freunde«, sagte sie. »Von dieser Verbindung wussten Sie doch mit Sicherheit.«
»Alte Freunde. Anwalt und Klient.«
»Bert war Großvaters Anwalt?«
Sam erzählte ihr, was er wusste. »Er befasste sich natürlich nur mit hiesigem Kram. Jahrelang. Als Minerva sein Büro auflöste, fand sie auch Unterlagen, die in Verbindung mit Jacob standen. Sie stammten aus den frühen Vierzigerjahren.«
»Ich wünschte, ich hätte mich noch mit Bert Bagley unterhalten können.«
»Bert war ein ganz außergewöhnlicher Mann. Er besaß einen klaren logischen Verstand und war dabei auch ein kreativer Denker. Er war ein brillanter Anwalt mit einem großen Herzen. Eine seltene Kombination.«
»Sie haben ihn bewundert.«
»Die meisten Leute haben ihn bewundert.«
»Minerva erwähnte, außer ihrem Onkel gäbe es noch andere ältere
Weitere Kostenlose Bücher