Küss mich, Sweetheart: Roman (German Edition)
vorstellen können, war, dass ein Kuss ein Gefühl in ihr wecken würde wie von einem Blitz getroffen.
Der Kuss hatte nie die Chance eines gewöhnlichen, normalen ersten Kusses, der sich zärtlich und zögerlich anbahnt, nach dem Prinzip Versuch und Irrtum. Hier gab es kein vorsichtiges Herantasten von Händen, Lippen, Körpern. Kein Abwarten. Kein Erforschen. Sie kamen zusammen, und der Kuss explodierte in ihren Gesichtern. Innerhalb eines einzigen Herzschlags wurde aus einem Nichts ein Etwas, aus einem Etwas ein Alles.
Die Luft knisterte vor Spannung. Lippen öffneten sich, Zungen umschlangen einander, forschten, dürsteten, glitten hinein und heraus. Gillian war noch nie zuvor mit so unverhohlener Wollust geküsst worden. Aber sie konnte sich auch nicht daran erinnern, einen Mann jemals so geküsst zu haben, als wollte sie ihn verschlingen, ihn völlig in sich aufsaugen; als wäre sie ihm machtlos ausgeliefert, als müsste sie ihn unter allen Umständen besitzen und wäre nicht eher zufrieden, bis der letzte Kleidungsfetzen von ihren Körpern gerissen war, bis nacktes Fleisch sich an nacktes Fleisch presste, drängend, bettelnd, um Erlösung von diesen köstlichen Qualen flehend …
Es war der heißeste Sex, den sie je erlebt hatte, und dabei war alles, was geschehen war, nur ein Kuss.
»Das ist unvernünftig.«
Hatte sie die Worte laut ausgesprochen oder Sam?
»Keine gute Idee.« Diesmal war es eindeutig Sam.
Gillian stimmte ihm mit einer unmerklichen Kopfbewegung zu. Das glaubte sie zumindest.
»Eine gute Idee«, verbesserte er sich umgehend. »Eine großartige Idee.«
Sie schüttelte erneut den Kopf.
Feurige Drachenaugen starrten ihr in die Augen. »Aber was, zum Teufel, war es dann?«
Gillian zuckte die Schultern unter seinem Anzugjackett. Beide Träger ihres Kleides glitten ihr die Arme hinunter, und sie konnte nichts dagegen tun; ihre Hände umklammerten seine Taille, als hinge ihr Leben davon ab.
Er machte einen anderen Vorschlag. »Anfängerglück?«
Waren sie Anfänger? Nicht wirklich. Eigentlich überhaupt nicht. Höchstens in dieser Konstellation.
Sam suchte immer noch nach Antworten. »Eine Eintagsfliege?«
Gillian fand endlich ihre Stimme wieder. Sie erkannte sie kaum als ihre. »Kann sein, ja, wahrscheinlich.«
Sam näherte sich ihrem Gesicht. Sein Gesicht war ihr so nah, dass sie die einzelnen Wimpern, die seine quecksilbergrauen Augen umrahmten, erkennen konnte. »Macht es dir was aus, wenn wir die Probe aufs Exempel machen?«
Es war eine Herausforderung. Er hatte den Fehdehandschuh hingeworfen und wartete nun – gespannt, ob sie ihn aufnehmen oder sich umdrehen und davongehen würde. Wenn sie nur halb so klug war, wie sie zu sein behauptete, dann müsste sie jetzt, so schnell ihre Beine sie trugen, davonrennen.
Ihre Beine bewegten sich nicht, aber ihr Mund gehorchte ihr. »Die Probe aufs Exempel?«
Seine schön geschwungenen Augenbrauen hoben sich unmerklich. »Wollen wir es noch einmal probieren, ja?«
Alle Vorsicht und jedes Quäntchen gesunden Menschenverstands beiseite schiebend, hörte sie sich selbst sagen: »Warum nicht?«
Gillian wusste, es gab tausend Gründe, warum nicht, aber ihr fiel in diesem Moment kein einziger schnell genug ein, um sie davon abzuhalten, sich Sam zuzuneigen, sich in Sam zu versenken.
Ihre Lippen trafen sich. Sie spürte, wie ein Stromstoß ihren Körper durchfuhr und ihre Nervenenden nacheinander in Brand steckte. Und dann eine elektrische Explosion, die ihre Brüste durchschauerte und ihre Brustwarzen aufstellte. Ein feiner Schweißfilm bildete sich auf ihrer Oberlippe, in der Spalte zwischen ihren Brüsten und weiter unten in der hochsensiblen Intimzone zwischen ihren Oberschenkeln.
Wenn Sam nur nicht so gut schmecken würde, so gut riechen würde. Wenn er sich nur nicht so gut anfühlen würde.
Wenn sie sich nur nicht in einer Weise zu ihm hingezogen fühlte, die sie nicht in Worte fassen konnte.
Ganz intuitiv begriff sie plötzlich, was ihr bei ihren früheren Beziehungen gefehlt hatte. Sams Kuss öffnete sie; er war wie ein Schlüssel, der ihr und Sam Zugang zu ihrem Innersten, zu ihrem Selbst verschaffte. Sein Kuss, seine Berührung schaltete ihr Gehirn aus und erweckte ihren Körper.
Sie hatte sich immer für hochgebildet und weltgewandt gehalten. Sie war weit gereist, hatte sich inmitten der Reichen, Mächtigen und Adligen bewegt, kannte gleichermaßen die Welt der Armen und Kranken, der vom Glück weniger Begünstigten. Sie hatte
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