Kuess mich toedlich
Abgesehen davon stimmte alles. Der Körperbau, die Größe und das Gesicht. Ben krachte gegen einen der kaputten Müllkörbe, der auf der Straße lag. Er fluchte. Sein Blick schoss sofort zu ihr zurück. Doch er fand sie nicht. Sie war verschwunden. So schnell. Einfach weg. Der Boden unter ihm schien plötzlich zu schwanken.
Wie konnte ihm das passieren? Wie konnte er sie verlieren? Wer zum Teufel war sie? War sie wirklich da gewesen oder hatte er sie sich eingebildet, eine Halluzination, ausgelöst von Schmerzmitteln und unerfüllbarer Sehnsucht?
Kapitel 14
Fata Morgana
B en stand reglos da. Mittlerweile zum vierten Mal. Immer an dieser Straßenkreuzung. Aber er konnte sie nicht mehr entdecken, diese Frau, die wie Sarah aussah, aber es nicht sein konnte. Sein Verstand sagte ihm, dass er völlig falsch lag, aber er war nicht imstande, dagegen anzugehen, deswegen kam er immer wieder hierher, zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten. Doch Ben kam immer vergebens. Wer sie auch war, sie blieb verschwunden. Etwas anderes machte ihm ebenfalls zu schaffen. Seine Wunden verheilten gut, und er war seither nicht mehr bei den Kämpfen gewesen. Sein Körper befand sich in ständigem Aufruhr und sein zerstörter Verstand verlangte nach einer ordentlichen Tracht Prügel, um sich wieder ein bisschen besser zu fühlen. Ohne seine Buße kam er sich vor wie ein Süchtiger auf Entzug. Aber anscheinend hatte eine Besessenheit die andere abgelöst. Er konnte nur noch an die Erscheinung denken, die ihn nicht losließ, das rote Haar, das er nicht aus dem Kopf bekam. Dieses Gesicht. Ben ließ sich gegen die Hausmauer fallen und versuchte, sich Vernunft beizubringen. Sie konnte nicht echt sein! Sie war nur eine Fata Morgana. Nichts weiter!
Für heute war es genug. Ben machte sich auf zur Nachtschicht. Dafür musste er zu einer Baustelle aus Bürokomplexen am Rande der Stadt, vorbei an den stillgelegten Hallen, in deren Inneren die Kämpfe stattfanden. Seine Haut prickelte und seine Muskeln spannten sich an, aber noch konnte er nicht wieder hingehen. Seine Knochen waren noch zu verletzt, aber bald, bald würde er wieder den Schmerz des Vergessens kosten können. Und dann würde er nicht mehr hierher kommen, um einer Unbekannten aufzulauern. Sie konnte es einfach nicht sein!
*
Sarah saß mit leerem Blick vor einem dunklen Tisch mit deutlichem Kratzer in der Mitte. Unablässig starrte sie auf das Bild an der Wand gegenüber. Die streng aussehende Frau darauf trug einen Kreuzanhänger, den Sarah nicht aufhören konnte, anzustarren. Dass ihr dicke, heiße Tränen über das Gesicht rannen, bemerkte sie kaum mehr. Alles, was sie wollte, war, diesen einen Moment mit ihm noch einmal erleben zu dürfen. Völlig von Sinnen zerrte sie sich das T-Shirt über den Kopf. So saß sie eine Weile da, mit nacktem Oberkörper, nur in ihrer Jeans. Sie musste zu diesem Moment zurück. Sie musste. Mit einer ausgelaugten Bewegung wiederholte sie jene Geste, die den Augenblick mit Ben heraufbeschwören sollte. Ihre ausgebreiteten Arme streckte sie auf den kalten Tisch aus. Einem weiblichen Kreuz gleich versuchte Sarah, sich mit aller Kraft seine Gegenwart einzubilden. So lange, bis sie sich wirklich nicht mehr sicher war, ob er nicht doch mit seiner männlichen Schwere ihren Rücken bedeckte. Der Beginn des Wahnsinns …
Selbst gewählt. Doch dann begann die Erinnerung sie zu foltern. Jene Erinnerung, die Sarah selbst hervorgerufen hatte. Durch ihre Gabe …
Als sie erwachte, ohne die Augen aufzuschlagen, fand sie sich auf dem Bett ausgebreitet wieder. Sie war es einfach nicht gewohnt, ein Bett zu teilen. Deshalb hatte sie sich im Schlaf auf den Bauch gedreht, beide Arme weit von sich gestreckt, die Beine fest aneinandergelegt. Ihr Körper ahmte unbewusst die Form eines Kreuzes nach. Erst als sie den kühlen Luftzug spürte, bemerkte sie, dass die Decke tief in ihrem bloßen Rücken lag. Eine Morgenbrise streifte über ihre Haut. Erst jetzt wurde sie sich seiner Anwesenheit bewusst, als sie seine leisen Schritte vor dem Bett hörte. Sie konnte seinen Blick auf sich spüren. Unmöglich zu sagen, ob es die kühle Luft oder eher sein Starren war, das ihr eine deutlich sichtbare Gänsehaut verschaffte. Kurz danach hörte sie das vage Fallen von Stoff auf dem Boden, bevor zuerst das Bett nachgab und sie seinen warmen, nackten Oberkörper auf ihrem Rücken spürte. Halb wach, halb in Trance fühlte sie seinen Bauch in ihrem Kreuz, der das
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