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Kuess mich toedlich

Kuess mich toedlich

Titel: Kuess mich toedlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Adelmann
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heraufbeschworen. Mit seiner verdammten Ehrlichkeit und dieser unangebrachten Offenheit.
    »Du hast sicher schon mal gehört, dass ein Mann sich nur aus zwei Gründen ruiniert. Wegen Geld oder wegen einer Frau. Und ich hab das sichere Gefühl, dass wir beide nicht auf das Geld aus waren. Richtig?«
    Ben ließ den Kopf hängen. Der Doc verstand auch so. Man erkennt seinesgleichen. Ben hatte genug für eine Nacht. Er würde in drei Stunden aufstehen müssen, um zu arbeiten. Also schlüpfte er in seine Jacke und nickte dem Wundenflicker zum Abschied zu, der nahm Bens unbandagierte Hand und drückte ihm einen Zettel zwischen die Finger.
    »Das ist meine Handynummer. Ruf an, wenn du mal meine Hilfe brauchst. Ich bin sauber, ordentlich und stelle keine Fragen. Ich mag zwar weg von der Bildfläche sein, aber für mich gilt der hippokratische Eid immer noch. Auch wenn ich den schlimmen Jungs viel mehr für meine Dienste abknöpfe als armen Teufeln wie dir.«
    Ben entschied, die Nummer zu behalten, um ihn nicht zu beleidigen. Und man wusste ja nie. »Danke«, murmelte Ben, bevor er verschwand.
     
    Die kalte Nachtluft fühlte sich gut auf seinem wunden Gesicht an und Ben genoss sogar den Regen, der ihn streifte. Als er an einem der verwaisten Schaufenster vorbeiging, sah er sich zum ersten Mal das wahre Ausmaß seiner Gesichtsverletzungen an. Sein linkes Auge war vollkommen zugeschwollen, ein einziger rotblauer Klumpen. Kein Wunder, dass er den Doc zuerst für zehn Jahre jünger gehalten hatte. Das rechte sah auch nicht viel besser aus, aber man erkannte noch die graue Augenfarbe. Seine Lippe war unten aufgerissen und oben noch vom letzten Mal verschorft. Die Platzwunde auf der Stirn, nahe an seinem Haaransatz, war wieder aufgegangen, aber der Arzt hatte sie gut getaped . Er sollte wieder seine Mütze tragen, damit man ihm nicht ansah, wie kaputt er war. Die kurz rasierten Haare verdeckten Verletzungen und Narben nicht. Er fragte sich, was sie von diesem Ben halten würde. Dem wahren Ben, dem Ben, den die Familie immer gewollt hatte. War er das? Er kam sich weder wie das eine noch wie das andere vor. Ben fühlte sich wie ein Nichts. Der Regen schwoll an und entlockte ihm einen Husten, der seinen Brustkorb in Flammen stehen ließ. Kein Wunder, dass er sich wie ein alter Mann vorwärts bewegte. Nach einer Weile bemerkte er, dass er in seiner Schmerzenstrance den falschen Weg eingeschlagen hatte. Wenn er zu seinem Zimmer zurückwollte, musste er wissen, wo er war. Der Straßenname sagte ihm nichts, und es war spät, etwa ein Uhr, vielleicht auch zwei. Seine Uhr war ihm wieder einmal gestohlen worden. Niemand außer ihm war noch unterwegs. Also ging er einfach weiter, bis er an einen markanten Punkt kam. Diese Stadt hatte er so gut wie auswendig gelernt, als er ihretwegen hierher gekommen war. Doch Schmerzmittel sorgten dafür, dass er sein Gedächtnis nicht anzapfen konnte. Ben musste mittlerweile in der Nähe des Kanals angelangt sein, denn er roch eindeutig den fischigen Geruch. Davon drehte sich ihm der Magen um. Als er sich gerade an einer der Hausmauern übergab und kläglich versuchte, seinen Oberkörper zusammenzuhalten, sah er eine flinke Frau die Straße gegenüber entlanghuschen. Ben wusste nicht, was genau an ihr seine Aufmerksamkeit erregte, aber sie tat es. Ben stemmte sich hoch und humpelte ihr nach. Eine dunkelrote Haarflut wippte ihr bis tief in den Rücken und ihre Gestalt war schmal, groß und ihre Bewegungen anmutig, aber natürlich. Sein Herz schlug völlig irrational schnell. Sein Gesicht brannte. Mit einem Schlag war er wach und seine Schmerzen vergessen. Etwas an ihr …Sie lief schnell und war allein in dieser miesen Gegend, um diese Zeit. Sie trug hautenge schwarze Jeans und eine kurze Lederjacke. Als sie die Straßenseite wechselte, huschte ihr Blick kurz nach hinten. Bens Herz schlug so hart gegen seine angeknacksten Rippen, dass er aufstöhnte. Dieses Gesicht. Die weiße Haut. Die dunklen Augen. Aber sie sah anders aus. Wieso war sein Körper dann so in Aufruhr, völlig panisch, wo er doch wusste, dass es völlig unmöglich war, was er meinte zu sehen? Sie konnte es nicht sein. Sie war tot.
    Dennoch jagte er dieser Unbekannten hinterher, die keine Schwierigkeiten hatte, ihn abzuhängen, schließlich war er gezwungen, ihr langsam hinterherzuhinken. Diese Ähnlichkeit! Das konnte es nicht geben. Wer war sie?
    Das Haar war anders. Dunkelrot, nicht rostrot. Sie war stark geschminkt um die Augen.

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