Küss mich, wenn Du kannst
neuesten Gerüchte über Dean Robillard anzuhören. Der morgige Tag war randvoll mit Terminen, vom Frühstück bis Mitternacht. Am Freitag musste er am frühen Morgen nach Phoenix fliegen, in der nächsten Woche standen Trips nach Tampa und Baltimore auf dem Programm. Hätte er eine Ehefrau, wäre seine Reisetasche gepackt, wann immer er sie brauchte. Und wenn er nach einem Nachtflug nach Hause kam, würde er in seinem Kühlschrank noch was anderes als Bierdosen finden. Außerdem könnte er mit jemandem über seine Erlebnisse reden. Er dürfte seine Deckung vernachlässigen und müsste nicht befürchten, sein urwüchsiger Slang würde seine Sprechweise färben - was manchmal passierte, wenn er übermüdet war. Er könnte ohne Bedenken versehentlich einen Ellbogen auf den Tisch stützen, wenn er ein Sandwich aß, oder irgendeine andere dieser bescheuerten Dummheiten machen, auf die er ständig achtete. Und am allerwichtigsten er hätte endlich jemanden, der zu ihm gehören würde.
»Hallo, Gwen, hier ist Annabelle. Nochmals vielen Dank, dass du bereit warst, Heath so kurzfristig zu treffen.« Sie warf ihm einen ostentativen Blick zu - Tinker Bell wies ihn zurecht. »Übrigens, er hat mich um deine Telefonnummer gebeten. Wie ich zufällig weiß, plant er ein Dinner-Date...« Noch ein herausfordernder Blick in seine Richtung. »Im Charlie Trotter‘s.«
Beinahe hätte er gelacht. Aber er setzte eine ausdruckslose Miene auf, damit sie sich nicht zu viel herausnahm.
Sie hörte zu und nickte. Während sie sich mit Gwen unterhielt, zog er sein Handy hervor und checkte die Liste der Anrufe. In Denver war es noch nicht ganz neun Uhr, Zeit genug, um mit Jamal zu telefonieren und herauszufinden, wie es seiner Achillessehne ging.
»Ja, ich sag‘s ihm. Danke.« Annabelle klappte das Handy zu und schob es in ihren Shopper. Dann schaute sie Heath über den Tisch hinweg an. »Gwen mag Sie sehr gern. Aber nur als Freund.«
Ausnahmsweise war er sprachlos.
»Das hatte ich befürchtet. In einem Zeitraum von zwanzig Minuten konnten Sie sich nicht von Ihrer besten Seite zeigen.«
Entgeistert hob er die Brauen und misstraute seinen Ohren.
»Ich soll Ihnen in Gwens Namen alles Gute wünschen, Mr. Champion. Und sie lässt Ihnen ausrichten, Sie wären sehr attraktiv. Sicher werden Sie bald jemand finden, der besser zu Ihnen passt.«
Gwen Phelps gab ihm einen Korb?
»Vielleicht...«, begann Annabelle nachdenklich, »vielleicht sollten wir uns weiter unten in der weiblichen Gesellschaftsschicht umschauen.«
3
Der mitternachtsblaue Jaguar bog um die Hoyne Corner Apartments in die schmale Wicker-Park-Allee. Durch eine randlose Chanel-Sonnenbrille mit winzigen Rheinkiesel-Cs an den Scharnieren spähte die Fahrerin auf die Hausnummern. Genau genommen war es eine modische Sonnenbrille mit zu geringem UV-Schutz, sogar an einem bewölkten Tag. Aber sie passte großartig zum hellen Teint der Frau und zum üppigen dunklen Haar. Portia Powers fand, man müsste alle funktionellen Überlegungen hinter die stilbewussten stellen. Nicht einmal so kurz vor ihrem Geburtstag - dem siebenunddreißigsten für nähere Bekannte, dem zweiundvierzigsten nach der Erinnerung ihrer Mutter - würde sie ihre Christian-Louboutin-Stilettos mit bequemeren Easy-Spirit-Sandaletten vertauschen. Ihr Ex hatte erklärt, mit ihrem pechschwarzen Haar, der schneeweißen Haut und den leuchtend blauen Augen gliche sie Schneewittchen nach einer monatelangen South-Beach-Diät.
Als sie die gesuchte Adresse fand, drosselte sie das Tempo. Noch nie hatte sie eine abbruchreifere Bude als dieses winzige Haus mit dem verblassten taubenblauen Anstrich und den abblätternden grünen Schnörkeln gesehen. Dank der Hitze warf der schwarze Schmiedeeisenzaun, der einen Garten von der Größe ihres Badezimmers umgab, zahlreiche Blasen. Dieses Domizil wirkte wie der Gartenschuppen einer der eleganten einstöckigen Residenzen zu beiden Seiten. Warum war es der Abrissbirne entronnen, die schon so viele schäbige Häuser in Wicker Park dem Erdboden gleichgemacht hatte?
Am Vortag hatte sie Heath Champions Büro besucht und die Perfect-for-You-Mappe auf dem Schreibtisch entdeckt, ihr formidabler Kampfgeist war sofort zur Hochform aufgelaufen. Letztes Jahr hatte sie zwei wichtige Klienten an neue Agenturen und einen Ehemann an eine dreiundzwanzigjährige Eventmanagerin verloren. Fehlschläge verströmten einen üblen Geruch. Lieber schuftete sie sich zu Tode, bevor dieser Gestank jemals an ihr
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