Küss mich, wenn Du kannst
anspruchsvoll, und ich glaube, das ist mein gutes Recht.«
»Eine bessere Assistentin als mich hast du nicht. Und ich will nach meiner Arbeit beurteilt werden, nicht nach meinem Gewicht.«
»Dann lass dir einen Penis wachsen.« Offenbar verstand SuSu noch immer nicht, dass Portia es nur gut mit ihr meinte. »Hast du überhaupt schon mal versucht abzunehmen?«
»Natürlich, aber...«
»Wie groß bist du?« Das wusste Portia. Sie wollte SuSu helfen, das Problem selbst zu erkennen.
»Eins dreiundsechzig.«
»Eins dreiundsechzig und hundertsiebenundzwanzig Pfund.« Portia lehnte sich an die harte Glaskante ihres Schreibtisches. »Da bin ich zehn Zentimeter größer. Mal sehen, wie viel ich wiege.« Ohne SuSus missmutige Miene zu beachten, schlüpfte sie aus ihren Schuhen und dem Cardigan, ließ die Perlen auf den Schreibtisch fallen und stellte sich auf die Waage. »Hundertzweiundzwanzig. Ich habe ein bisschen zugelegt. Okay, heute Abend keine Kohlehydrate.« Sie stieg wieder in ihre Pumps. »Merkst du, wie einfach das ist? Wenn es mir nicht gefällt, was ich auf der Waage lese, esse ich etwas weniger.«
Die Augen voller Tränen, sank SuSu auf die Couch. »Ich bin nicht so wie du.«
Wenn ein Mädchen am Arbeitsplatz weinte, bestätigte es alle negativen Vorurteile über berufstätige Frauen. Bedauerlicherweise hatte SuSu noch nicht den harten Panzer notwendiger Erfahrungen entwickelt, und so kniete Portia neben ihr nieder. Eindringlich redete sie ihr zu. »Du bist einsame Spitze, SuSu, und du hast eine große Zukunft vor dir. Die darfst du dir nicht von deiner fetten Figur verbauen lassen. Einer statistischen Untersuchung zufolge werden dicke Frauen seltener befördert und verdienen weniger Geld. Auch das gehört zu den Faktoren, die unsereins in der Geschäftswelt benachteiligen. Wenigstens können wir unser Gewicht unter Kontrolle halten.«
»Mit hundertsiebenundzwanzig Pfund ist man nicht fett.«
»Nein, aber auch nicht perfekt, oder? Und wir müssen alle nach Perfektion streben. Geh jetzt in mein Badezimmer, nimm dir ein paar Minuten Zeit, und reiß dich zusammen. Dann mach dich wieder an die Arbeit.«
»Nein!« Mit hochrotem Gesicht sprang SuSu auf. »Nein! Ich leiste gute Arbeit für dich. So was muss ich mir nicht gefallen lassen. Ich kündige!«
»Moment mal, SuSu...«
»Oh, wie ich diesen Job hasse! Deine hochgeschraubten Erwartungen kann niemand erfüllen. Nun, inzwischen ist‘s mir egal. Du magst steinreich und erfolgreich sein. Aber du hast kein Leben. Das weiß jeder. Du tust mir Leid.«
Obwohl die Worte Portias Herz zutiefst verletzten, zuckte sie nicht mit der Wimper und erhob sich. »Ich führe ein sehr angenehmes Leben«, entgegnete sie kühl. »Und ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass ich überragende Leistungen verlange. Offensichtlich bist du nicht bereit, meinen Maßstäben zu entsprechen, also wirst du deinen Schreibtisch ausräumen.« Sie ging zur Tür und öffnete sie.
Wütend fing SuSu an zu schluchzen. Doch sie fand nicht den Mut, noch mehr zu sagen. Ihr Kleid an sich gepresst, stürmte sie aus dem Chefbüro. Ganz vorsichtig, fast lautlos schloss Portia die Tür.
Dann sank sie in ihren Schreibtischsessel, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Mit ihren zweiundvierzig Jahren müsste sie alles erreicht haben, was sie sich wünschte. Aber trotz ihres Vermögens und allgemeiner Anerkennung fehlte ihr etwas sehr Wichtiges. Sie hatte viele Dutzend Freunde, doch es gab niemanden, dem sie sich in inniger Freundschaft verbunden fühlte. Ihre Ehe war gescheitert. Wie hatte das geschehen können, nachdem sie mit der Heirat so lange gewartet und ihren Mann sehr sorgsam ausgewählt hatte?
Carleton war ihr perfekter Partner gewesen - weltgewandt, wohlhabend und erfolgreich. Früher hatten sie zu den prominentesten Ehepaaren von Chicago gehört, im Vorstand einer renommierten Wohltätigkeitsorganisation gesessen, und sie waren zu allen wichtigen Partys eingeladen worden. Eigentlich hätte die Ehe funktionieren müssen. Aber sie hatte kaum ein Jahr gedauert. Niemals würde Portia die Abschiedsworte ihres Mannes vergessen. »Ich bin völlig erschöpft, Portia... Vor lauter Angst, du würdest meinen Schwanz abschneiden, kann ich kaum noch schlafen.«
Welch ein Pech, dass sie nicht genau das getan hatte... Denn drei Wochen später war er zu einer albernen, ständig kichernden dreiundzwanzigjährigen Eventmanagerin mit Brustimplantaten gezogen.
Portia schüttete eine halbe
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