Küss mich, wenn Du kannst
haften würde. Sie hatte ein paar Stunden geopfert, um Informationen zu sammeln, und herausgefunden, dass Marriages by Myrna - ein mickeriges Unternehmen, eigentlich eher eine Kuriosität - jetzt Perfect for You hieß. Seit Myrna Reichmans Tod betrieb ihre Enkelin die Agentur. Wie weitere Nachforschungen ergeben hatten, war diese Enkelin zusammen mit Kevin Tuckers Frau Molly aufs College gegangen. Portia entspannte sich ein bisschen. Natürlich würde Heath das Mädchen höflich empfangen, wenn es die Ehefrau seines Klienten verlangte. Doch er war zu anspruchsvoll, um einer Amateurin zu vertrauen. Leichten Herzens sank sie ins Bett - und wurde von einem qualvollen erotischen Traum heimgesucht, in dem ihr attraktiver Kunde die Hauptrolle spielte. Nicht, dass sie jemals erwägen würde, so etwas in der Realität anzustreben... Gewiss, eine Affäre mit Champion wäre aufregend. Aber sie verquickte ihr Privatleben niemals mit ihren Geschäften.
Unglücklicherweise hatte ein Anruf an diesem Morgen ihre Sorge erneut geweckt. Ramon, der Barkeeper vom Sienna‘s, gehörte zu den vielen Personen in der Dienstleistungsbranche, die ihr großzügige Geschenke mit nützlichen Infos lohnten. Er erzählte, letzten Abend sei eine Heiratsvermittlerin namens Annabelle mit einer Schönheit im Schlepptau, die sie Heath vorgestellt habe, im Lokal aufgetaucht. Sobald wie irgendwie möglich war Portia nach Wicker Park gefahren. Sie musste unbedingt feststellen, welche Bedrohung von dieser Frau ausging. Aber wie dieses heruntergekommene Haus verriet, existierte das Unternehmen Perfect for You nur in Miss Grangers Fantasie, und Champion wollte vermutlich Kevin Tuckers Frau einen Gefallen erweisen.
Einigermaßen beruhigt fuhr sie südwärts in den Loop zu ihrer allmonatlichen Dermabrasion. Sie gab Unsummen für ihr faltenloses Gesicht und die gertenschlanke Figur aus. Bei einem Mann mochte das Alter seine attraktive Aura steigern, bei einer Frau nicht. Eine Stunde später betrat sie mit strahlendem Teint und frischem Make-up das Power-Matches-Büro im Erdgeschoss eines weiß getünchten viktorianischen Hauses, nicht weit von der Newberry-Bibliothek.
Inez, ihre Sekretärin und Empfangsdame, legte hastig und schuldbewusst den Telefonhörer auf. Noch mehr Probleme mit den Kindern. Wie sollten Frauen jemals Karriere machen, wenn die Sorge um die Kinderbetreuung einzig und allein auf ihren Schultern lastete?
Aufmerksam ließ Portia ihren Blick über die dezente Eleganz des offenen Bürobereichs mit den kühlen grünen Wänden und den niedrigen, asiatisch inspirierten Sofas wandern. Ihre drei Assistentinnen saßen an ihren Schreibtischen, die von stilvollen Pergamentparavents in schwarz lackierten Rahmen getrennt wurden. Zwischen zweiundzwanzig und neunundzwanzig Jahre alt, erkundeten die Frauen die angesagten Clubs in der City und führten die Vorgespräche. Portia hatte sie wegen ihrer gesellschaftlichen Kontakte, ihrer Intelligenz und ihres Aussehens eingestellt. Bei der Arbeit mussten sie Schwarz tragen - schlichte Kleider, Hosen mit klassischen Tops und gut sitzende Jacken. Sie selbst gestattete sich gewisse Freiheiten. Heute hatte sie ein perlgraues Ralph-LaurenEnsemble gewählt - einen sommerlich leichten Cardigan, eine taillierte Bluse, einen engen Rock. An ihrem Hals schimmerten Perlen. Für die besondere Nuance sorgten lavendelblaue Stilettos mit mädchenhaften Schleifen am Oberleder.
Da sich gerade keine Klienten im Büro aufhielten, kündigte sie die gefürchtete Prozedur an. »Hört alle zu, das ist unser allwöchentlicher Tag. Hopphopp, bringen wir die Tortur hinter uns.«
»O nein«, stöhnte SuSu Kaplan. »Ich bekomme meine Periode.«
»Die hattest du letzte Woche«, erwiderte Portia. »Bloß keine Notlügen!« Nur der Controller und der Computer-Guru, der die Power-Matches-Website gestaltete, wurden von diesem allwöchentlichen Ritual ausgenommen, da sie nicht direkt mit den Klienten zu tun hatten. Außerdem waren sie Männer, sprach das nicht Bände?
»Auch du, Inez«, befahl die Chefin und ging zu ihrem Privatbüro.
»Moment mal, ich bin die Empfangsdame«, protestierte Inez. »Ich muss mich abends nicht in den Clubs herumtreiben.«
Portia ignorierte sie. Natürlich genossen sie alle das Prestige, das ihnen die Jobs bei Power Matches einbrachten, doch sie hassten die harte Arbeit und die Disziplin, die nun mal dazugehörten. Nur Disziplin verwandelt einen Traum in Realität. Wie oft hatte sie den Frauen diesen Satz
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