Küss mich, wenn Du kannst
Flasche Pellegrino in einen der Villeroy-&-Boch-Kelche, die Inez stets auf den Schreibtisch stellte. Vielleicht würde SuSu irgendwann merken, was für ein schwerer Fehler es gewesen war, die Ratschläge ihrer wohlmeinenden Chefin zu missachten. Vielleicht auch nicht. Portia ertrank nicht gerade in Dankesbriefen von ehemaligen Angestellten oder anderen Frauen, die sie zu fördern versucht hatte.
Seufzend griff sie nach Heath Champions Akte. Aber statt sie zu öffnen, sah sie vor ihrem geistigen Auge die Tapete mit dem goldgelben Teekannenmuster in der Küche des Hauses in Terre Haute, wo sie aufgewachsen war. Ihre Eltern, die zur Arbeiterklasse zählten, hatten sich mit ihrem Leben zufrieden gegeben - mit Kleidern aus Discountläden, Rattanmöbeln und den serienweise hergestellten Ölgemälden berühmter Maler, die sie bei einem Ausverkauf im Holiday Inn erstanden hatten. Aber Portia hatte sich schon immer höhere Ziele gesteckt. Sie benutzte ihr Taschengeld, um Zeitschriften wie Vogue und Town & Country zu kaufen. Ans schwarze Brett in ihrem Schlafzimmer heftete sie Fotos von schönen Häusern und eleganten Möbeln. Während sie die Junior High School besuchte, erschreckte sie ihre Eltern mit Wutanfällen und Tränenausbrüchen, wann immer sie keine A-Zensuren bekam. In ihrer ganzen Kindheit verleugnete sie ihre vom Vater geerbte Augen- und Haarfarbe und redete sich ein, kurz nach ihrer Geburt sei sie in der Klinik mit einem anderen Baby vertauscht worden.
Entschlossen richtete sie sich in ihrem Schreibtischsessel auf, nahm noch einen Schluck Pellegrino und lenkte ihre Gedanken in die richtigen Bahnen - nämlich auf den Job, die perfekte Ehefrau für Heath Champion zu finden. Mochte sie auch zwei prominente Klienten und einen ebenfalls prominenten Ehemann verloren haben - nie mehr würde sie einen Fehlschlag erleiden. Nichts und niemand sollte sie an diesem ganz speziellen Erfolg hindern.
4
Messerscharf drang die tiefe Männerstimme aus dem Telefonhörer. »Ich erwarte einen Anruf. Also haben Sie nur dreißig Sekunden Zeit.«
»Zu wenig«, erwiderte Annabelle. »Wir müssen uns zusammensetzen, damit Sie mir etwas genauer erklären, wonach Sie suchen.« Mit der Bitte, den Fragebogen auszufüllen, den sie stundenlang entworfen hatte, wollte sie keinen Atem verschwenden. Die benötigten Informationen musste sie dem Python persönlich entlocken.
»Drücken wir’s mal so aus«, entgegnete Heath Champion. »Meine künftige Gemahlin amüsiert sich köstlich, wenn sie im Januar im Soldier-Field-Stadion sitzt und der Wind mit dreißig Knoten vom See herüberbläst. Ohne Vorwarnung schafft sie‘s, dreißig Collegeathleten Spaghetti zu servieren. Auf dem Golfplatz schlägt sie den Ball vom Männer-Tee, und zwar dreizehn Löcher weit, wobei sie sich kein einziges Mal blamiert. Sie ist verdammt sexy, weiß genau, wie sie sich anziehen muss, und findet dreckige Witze irre komisch. Sonst noch was?«
»Heutzutage ist es wahnsinnig schwer, Frauen aufzuspüren, die eine Gehirnoperation hinter sich haben. Aber wenn Sie Wert darauf legen...«
Ein gedämpftes Schnaufen. Ob Heath auf diese Weise sein Missfallen bekundete oder lachte, konnte sie nicht feststellen.
»Würde es Ihnen morgen Abend passen?«, fragte sie so quietschfidel wie eine der Cheerleader, die er während seiner Footballertage am College zweifellos en gros vernascht hatte.
»Nein.«
»Dann sagen Sie mir, wann und wo.« Annabelle hörte ein teils resignierendes, teils ärgerliches Seufzen. »In einer Stunde treffe ich einen Klienten draußen in Elmhurst. Begleiten Sie mich. Um zwei treffen wir uns vor meinem Büro. Wenn Sie nicht pünktlich sind, fahre ich ohne Sie los.«
»Keine Bange, ich werde da sein.« Annabelle legte auf und grinste die Frau an, die ihr am Bistrotisch aus grünem Metall gegenübersaß. »Bingo.«
Gwen Phelps Bingham stellte ihren Eistee ab. »Hast du ihn dazu überredet, den Fragebogen auszufüllen?«
»So ungefähr. Ich muss ihn in seinem Auto interviewen. Besser als gar nichts. Bevor er mir verrät, was er sich vorstellt, kann ich kaum was unternehmen.«
»Große Titten und blonde Haare. Vergiss bloß nicht, deinem Klienten herzliche Grüße von mir auszurichten.« Gwen lachte leise und betrachtete die halb verkümmerten Taglilien, die den Garten ihrer Doppelhaushälfte in Wrigleyville gegen die Hintergasse abschirmten, »Wie ich ihm zugestehen muss, ist er umwerfend, falls man raubeinige, stürmische und - ach, so erfolgreiche,
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