Küss mich, wenn Du kannst
hielt. Hinter Janine - mit vorzeitig ergrautem kurzen Haar, Modeschmuck und einem knöchellangen, breit gestreiften Sommerkleid - lag ein tragisches Jahr: Nachdem ihre Mutter an Brustkrebs gestorben war, hatte sie an einer Schreibblockade gelitten. Die Freundschaft der Buchclub-Mitglieder bedeutete ihr sehr viel. Während ihrer schlimmsten Depressionen hatten ihr Annabelle und Charmaine Mahlzeiten gebracht oder Besorgungen erledigt. Phoebe organisierte Massagen und rief sie täglich an, Krystal pflegte Janines Garten, Molly ermunterte sie, wieder zu schreiben. Und Sharon, die beste Zuhörerin in der Gruppe, war ihre Vertraute gewesen. Neben Molly war Sharon auch Phoebes beste Freundin, und sie leitete die Wohltätigkeitsorganisation der Stars.
»Offenbar hat Krystal ein Geheimnis«, antwortete Molly, »das sie wie üblich erst enthüllen wird, wenn‘s ihr in den Kram passt.«
Während die anderen das Geheimnis zu enträtseln suchten, überlegte Annabelle, wie sie ein heikles Thema anschneiden sollte. Bisher war ihr das Glück gewogen gewesen. Doch das musste nicht so bleiben. Sobald eine Gesprächspause entstand, kam sie zur Sache. »An diesem Wochenende könnte ich ein bisschen Hilfe brauchen.« Wie sie den erwartungsvollen Mienen entnahm, hofften sie alle, sie würde erklären, warum sie mit Heath hier aufgetaucht war. Aber sie wollte nicht mehr verraten, als sie es schon getan hatte. Leicht verlegen spielte sie mit dem gelben Band ihrer Gänseblümchen-Swatch-Uhr. »Meine Agentur Perfect for You bedeutet mir sehr viel. Das wisst ihr. Wenn ich keinen Erfolg damit habe, beweise ich, dass meine Mutter in allem Recht hat. Aber ich will keine Buchhalterin werden.«
»Kate setzt dich zu sehr unter Druck«, betonte Sharon nicht zum ersten Mal, und Annabelle lächelte sie dankbar an.
»Molly verschaffte mir einen Termin mit Heath Champion. Und dann musste ich einen Trick anwenden, sonst hätte er den Vertrag mit mir nicht unterschrieben.«
»Welchen Trick?«, erkundigte sich Janine.
Nach einem tiefen Atemzug schilderte Annabelle, wie sie ihn mit Gwen hinters Licht geführt hatte.
Erschrocken schnappte Molly nach Luft. »Dafür wird er dich umbringen. Ich mein das ernst, Annabelle. Wenn er herausfindet, dass du ihn getäuscht hast - und das ist nur eine Frage der Zeit -, wird er ausflippen.«
»Er hat mich in die Enge getrieben.« Seufzend ließ Annabelle die Schultern hängen und rieb sich die Arme. »Was ich getan habe, war beschissen, ich geb‘s zu. Aber ich hatte nur vierundzwanzig Stunden Zeit, um ihm eine Wahnsinnsfrau vorzustellen, oder ich hätte einen Superkandidaten verloren.«
»Mit so einem Mann spielt man nicht«, gab Sharon zu bedenken. »Einige Geschichten, die Ron mir über ihn erzählt hat, würdest du nicht glauben.«
Annabelle nagte an ihrer Unterlippe. »Klar, ich muss ihm die Wahrheit gestehen, ich warte nur noch den richtigen Moment ab.«
»Quatsch, Mädchen!«, protestierte Krystal und führte einen rasanten Hüftschwung vor. »Für den Tod gibt‘s keinen richtigen Moment.«
Charmaine schnalzte mit der Zunge. »Von jetzt an stehst du ganz oben auf meiner Liste aller Leute, für die ich bete, Annabelle.«
Nur Phoebe schien sich zu freuen. Aus ihren bernsteinfarbenen Katzenaugen schienen Funken zu sprühen. »Oh, das gefällt mir! Nicht, dass du verfrüht im Grab landen wirst. Das bedauere ich ehrlich, und ich werde alle juristischen Hebel in Bewegung setzen, damit Heath seine gerechte Strafe erleidet. Aber ich finde es einfach himmlisch, wie mühelos eine so kleine, zarte Frau dem großartigen Python eins ausgewischt hat.«
Erbost starrte Molly ihre Schwester an. »Genau das ist der Grund, warum Christine Jeffreys ihre Tochter nicht bei den Zwillingen übernachten lässt. Weil du allen Leuten Angst einjagst.« Dann fragte sie Annabelle: »Was sollen wir tun?«
»Ich bitte euch nur, Gwens Namen in seiner Gegenwart nicht zu erwähnen. Vermutlich werden die Jungs nicht über sie reden, dieses Thema dürfte sie wohl kaum interessieren. Zumindest hoffe ich das. Es sei denn, ihr erzählt ihnen, was ich verbrochen habe.«
»Sagen wir ihnen die Wahrheit«, schlug Phoebe vor. »Dafür stimme ich. Monatelang werden sie hinter Heaths Rücken lachen.«
»Wenn‘s um den Python geht, hast du keine Stimme«, entschied Krystal.
»Oh, das ist so unfair!«, klagte Phoebe.
Beruhigend tätschelte Charmaine ihren Arm. »Was diesen Mann betrifft, reagierst du ein bisschen irrational.«
Vom Strand
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