Küss mich wie damals
vorbei und den Korridor hinunter, der zu dem kleinen, zum Garten hin gelegenen Raum führte.
Kaum hatte sie dessen Tür geöffnet, wurde sie von Elizabeth und Andrew stürmisch begrüßt. Sie herzte die Kinder, nahm sie bei der Hand und drehte sich zu Lady Lavinia um, die jetzt zum ersten Mal lächelte. „Das sind meine Stiefenkel, der vierjährige Andrew und die kleine Elizabeth. Und das ist Lady Lavinia Stanmore.“
Andrew verneigte sich, und Elizabeth machte einen adretten Knicks.
Lavinia schlug vor, mit den Kindern in den Garten zu gehen.
Andrew ergriff ihre Hand, und sie verließ mit ihnen den Salon. Die beiden verbleibenden Damen schauten ihr vor Überraschung sprachlos hinterher.
Nach einem Moment sagte Augusta: „Nun, die Klatschmäuler haben ein vollkommen falsches Bild von ihr. Ich habe gehört, dass sie mürrisch und meistens verdrossen sein soll, finde sie jedoch entzückend.“
„Das würdest du von jedem Menschen sagen, der nett zu deinen Kindern ist.“
„Nein“, widersprach Augusta. „Wenn ich den Eindruck hätte, dass man mir nur schmeicheln will, würde ich das nicht sagen. Lady Lavinia kann es jedoch gleich sein, was ich von ihr denke. Ihr Verhalten den Kindern gegenüber wirkte aber sehr natürlich auf mich.“
Es wurde an die Tür geklopft, und einen Moment später kündigte der Butler das Erscheinen des Duke of Loscoe an. „Er holt seine Tochter ab“, murmelte Frances.
Marcus kam in den Salon und verneigte sich. „Ihr untertänigster Diener, meine Damen.“
„Guten Tag, Euer Gnaden“, erwiderten sie gleichzeitig.
„Servieren Sie Erfrischungen, Creeley“, forderte Frances dann den Butler auf. „Bitte, nehmen Sie Platz, Euer Gnaden.“
„Wo ist meine Tochter?“, erkundigte der Duke sich und setzte sich in einen Sessel.
„Sie ist mit meinen Kindern im Garten“, erklärte Augusta. Frances betrachtete ihre vom Malen fleckigen Hände und fragte sich, was Marcus von ihr denken mochte. Sie versuchte, sie in den Falten des Kleides zu verbergen, glaubte jedoch, ein Lächeln über das Gesicht Seiner Gnaden huschen zu sehen.
„Wir waren ohnehin schon mit dem Unterricht fertig“, äußerte sie steif.
Der Butler kam mit dem Teewagen und schenkte den Herrschaften ein. Nur einen Moment später kehrte Lady Lavinia mit den Kindern zurück. Ihr Kleid war zerknittert und die Frisur in Unordnung geraten. Außerdem hatte sie schmutzige Hände.
„Was hast du gemacht, Vinny?“, wunderte sich Marcus, während die Kinder zur Mutter liefen. „Du siehst aus, als seist du in ein Gestrüpp gefallen.“
„Wir haben ein Kaninchen entdeckt“, erklärte Andrew. „Es hatte ein gebrochenes Bein. Ich nehme an, ein Hund hat es in den Garten gejagt. Lady Lavinia hat ihm mit ihrem Taschentuch einen Stock ans Bein gebunden. Und dann hat Simpson es in eine Kiste getan.“
„Wozu denn das?“, fragte Frances erstaunt.
„Wer ist Simpson?“, wollte Marcus wissen.
„Der Gärtner, Euer Gnaden“, antwortete Frances.
„Wir haben das Kaninchen im Schuppen gelassen“, sagte Lavinia. „Ich habe den Kindern versprochen, es zu versorgen, bis die Verletzung geheilt ist.“
„Nein, Vinny“, erwiderte Marcus und seufzte schwer. „In mein Haus kommt kein krankes Tier. Deine Menagerie auf dem Land ist schon schlimm genug, aber hier in der Stadt …“
„Aber, Papa …“
„Nein, Vinny!“ Er wandte sich der Countess of Corringham zu. „Auf meinem Landsitz hat Vinny Hunde, Katzen, Kaninchen, Eulen, Amseln, Füchse und Gott weiß was sonst noch.“
„Man kann die armen Tiere doch nicht sterben lassen“, warf Lavinia ein.
„Das ist der Lauf der Natur“, meinte Marcus. „Entweder sie werden wieder gesund, oder sie sterben. Der Mensch sollte nicht eingreifen.“
„Wieso nicht? Nur weil du kein Mitgefühl hast …“
„Lavinia!“, sagte er tadelnd. „Das reicht.“
Frances ahnte, dass Lady Lavinia sich nach dem Verlassen des Hauses eine Strafpredigt würde anhören müssen. Das Mädchen tat ihr beinahe leid, aber ein Kind, das sich ungezogen benommen hatte, musste bestraft werden.
„Ich hoffe, Ihr Gärtner, Lady Frances, wird das Tier in die Küche bringen. Die Köchin kann bestimmt etwas damit anfangen.“
„Nein, nein!“ Andrew begann zu weinen. „Du darfst es nicht essen, Großmama!“
Frances warf Marcus einen missbilligenden Blick zu, nahm den Jungen in die Arme und beruhigte ihn. „Nein, natürlich wird das Kaninchen nicht verspeist. Seine Gnaden hat das nicht so
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