Küss mich wie damals
vielleicht, Sir.“
„Auch wir müssen gehen“, warf Marcus ein. „Falls Sie noch bleiben wollen, Lady Frances, schicke ich meinen Kutscher mit dem Wagen zurück, damit er Sie heimfahren kann.“
„Nein, ich schließe mich Ihnen an. Morgen habe ich einen arbeitsreichen Tag vor mir.“
Augusta lachte, während sie sich erhob und dem Butler läutete. „Wann hast du nicht sehr viel zu tun?“
Einige Minuten später fuhr Frances in der Kutsche des Duke of Loscoe nach Hause.
Nach einer Weile schaute Marcus die Tochter an und äußerte leise: „Sie ist schon halb eingeschlafen. Wenn Sie nichts dagegen haben, Madam, bringe ich sie zuerst nach Hause und fahre dann zu Ihnen weiter.“
Der Gedanke, mit ihm im Wagen allein zu sein, behagte Frances nicht. Sie gab sich jedoch Mühe, ihr Missfallen nicht zu zeigen, und antwortete leichthin: „Das ist mir recht, Euer Gnaden. Aber Sie müssen mich nicht begleiten.“
„Ich bin nicht so schlecht erzogen, Madam, dass ich Sie nach dem gemeinsam verbrachten Abend allein nach Hause fahren lassen würde.“
„Ich bin es gewohnt, Euer Gnaden.“
„Ist diesem Zusammenhang ist das nicht von Bedeutung. Außerdem brauche ich die Kutsche, weil ich noch einmal fort muss.“
„Hätte ich das gewusst, wäre ich in meiner eigenen Chaise zur Oper gefahren, statt Ihnen jetzt Umstände zu bereiten“, erwiderte Frances und dachte daran, was Lady Lavinia ihr über die nächtlichen Ausflüge ihres Vaters berichtet hatte. Unwillkürlich überlegte sie, wohin er noch wollte, nachdem er sie abgesetzt hatte. Zweifellos wünschte er, jemanden um sich zu haben, dessen Gesellschaft ihm angenehmer als ihre war.
„Sie machen mir keine Umstände.“
Schweigen trat ein, obwohl so viel zu sagen gewesen wäre. Die richtigen Worte hätten, wären sie im passenden Ton geäußert worden, den Schmerz so vieler Jahre beheben können. Feinfühlig vorgebrachte Erklärungen hätten die Kluft überbrücken können, die zwischen Frances und Marcus bestand. Das war ihm ebenso klar wie ihr. Aber beide schwiegen, vielleicht deshalb, weil sie nicht allein waren. Nachdem man die Residenz Seiner Gnaden erreicht hatte, blieb Frances in der Kutsche sitzen, während er seine Tochter ins Haus brachte.
Einige Minuten später kehrte er zurück, wies den Kutscher an, zum Palais Ihrer Ladyschaft zu fahren, und ließ sich dann neben ihr nieder. Er war ihr so nah, dass sein Arm ihren berührte. Sie spürte seine Nähe und merkte, dass ihr das Herz schneller zu klopfen begann.
„Vinny ist erschöpft“, sagte er. „Ich habe sie in die Obhut ihrer Gouvernante gegeben und bin überzeugt, dass sie morgen bis mittags schläft.“
„Das bezweifele ich, Euer Gnaden. Sie ist jung und widerstandsfähig. Und Sie haben vergessen, dass sie mir morgen wieder Modell sitzen soll. Natürlich kann ich den Termin verschieben, wenn Ihnen das besser passt.“ Es wäre ihr lieb gewesen, wenn Marcus diesen Vorschlag angenommen hätte, weil Frances soeben eingefallen war, dass der Stiefsohn sie zum selben Zeitpunkt aufsuchen wollte. „Nein, das muss nicht sein“, erwiderte der Duke. „Und könnten Sie aufhören, mich dauernd mit ‚Euer Gnaden‘ anzusprechen? Früher waren Sie nicht so förmlich.“
„Damals waren Sie auch nicht der Duke of Loscoe.“
„Ganz recht, aber ich entsinne mich, dass Sie mich seinerzeit nur mit dem Vornamen angeredet haben.“
„Das ist lange her. Ich war jung und wusste es nicht besser.“
Marcus schaute die Countess of Corringham an. Im dämmrigen Wageninnern war ihr Gesicht nicht gut zu erkennen. Er sah nur ihr Profil. Sie hatte den Hut abgenommen und auf den Schoß gelegt. „Was wussten Sie nicht besser?“
„Dass ich nicht das Recht zu Vertraulichkeiten hatte. Sie standen gesellschaftlich weit über mir, und ich finde es schade, dass ich das nicht rechtzeitig gemerkt habe.“
„Oh, Fanny! Haben Sie mir noch immer nicht verziehen?“
„Es gibt nichts zu verzeihen. Wir waren befreundet und sind dann unserer Wege gegangen. So ist das Leben, Euer Gnaden.“ Frances war erstaunt, wie ruhig ihre Stimme geklungen hatte.
„Bitte, nennen Sie mich Marcus“, sagte er. „Meine Freunde sprechen mich so an, und ich möchte, dass wir beide Freunde sind.“
„Freunde?“
„Ja. Sie unterrichten meine Tochter und malen ihr Porträt. Es lässt sich nicht vermeiden, dass wir uns sehen, insbesondere dann, wenn wir an denselben gesellschaftlichen Anlässen teilnehmen.“ Marcus hielt inne, weil er
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