Küss mich wie damals
wusste, dass er die Sache zu schnell vorantrieb. Frances gab nicht zu erkennen, dass sie sich erweichen ließ. Sie wahrte die eisige Haltung, wenngleich sie sich ihm etwas zugewandt hatte. „Ich möchte nicht im Unfrieden mit Ihnen sein.“
„Ich war mir nicht bewusst, Euer Gnaden, dass es Missstimmigkeiten zwischen uns gibt. Wir haben uns nicht gestritten, und ich habe auch nicht vor, mich mit Ihnen zu zanken. Schließlich sind Sie derjenige, der mich für meine Arbeit honoriert.“
Ihm war klar, dass diese Äußerungen als Abfuhr gemeint waren, doch sie trugen nur dazu bei, ihn noch mehr zu entflammen. Er fragte sich, wie Frances so kühl und unbeteiligt bleiben könne, wenn er vor Verlangen brannte und es kaum noch kontrollieren konnte. Merkte sie das denn nicht? Hatte sie das seinem Tonfall nicht angehört? Sie war kein junges Mädchen mehr und auch nicht zimperlich. Sie war verheiratet gewesen und sollte imstande sein zu merken, wie er sich fühlte, und ihm etwas entgegenkommen. Natürlich konnte es sein, dass er ihr vollkommen gleichgültig war. Und das hätte er ihr nicht einmal verargen können.
Die Karosse hielt vor ihrem Haus, doch weder Marcus noch sie regten sich. Der Kutscher, der zweifellos gelernt hatte, diskret zu sein und sich nicht zu beeilen, wenn sein Herr eine Dame nach Hause begleitete, wartete auf das Zeichen, um den Wagenschlag zu öffnen. Marcus hatte indes keine Eile, es ihm zu geben. Er lächelte freundlich, hob Frances’ Hand an den Mund und drückte einen Kuss darauf.
Die Berührung seiner Lippen ließ sie vor Verlangen erschauern. Nach all den Jahren war er immer noch imstande, sie aus der Fassung zu bringen. Sie befürchtete, das sei ihm aufgefallen, oder er werde spüren, wie sie zitterte. „Ich habe dich vermisst, Fanny. In all den Jahren …“
„Es waren zu viele“, flüsterte sie.
„Aber sie reichten nicht, mir die Erinnerung daran zu nehmen, wie du warst, an deine Lebenslust und dein Feuer.“
„Das Feuer der Jugend“, sagte sie leise und überlegte, ob sie die Tür aufmachen und die Kutsche verlassen solle, ehe sie sich vergaß und etwas geschah, das sie später bereuen würde. „Auch Sie hatten dieses Feuer der Jugend, wie ich mich erinnere.“
Marcus drehte Frances’ Hand um und küsste sie auf die Innenfläche. „Feuer ist nicht nur der Jugend zu eigen, meine Liebe.“
Frances blieb regungslos sitzen, weil sie Angst hatte, sich zu bewegen, und sich davor fürchtete, noch etwas zu äußern. Ein derartiges Verlangen, das sie angespannt machte, hatte sie nicht mehr empfunden, seit Marcus vor siebzehn Jahren aus ihrem Leben verschwunden war. Ehe sie ihre Finger fortziehen konnte, hatte er ihr Handgelenk geküsst. Die Leidenschaft, die sie so angestrengt zu unterdrücken versuchte, verstärkte sich noch, sodass sie meinte, sie nicht mehr ertragen zu können. In jedem Fall war sie keines Wortes mehr fähig.
Da sie sich nicht sträubte, hob Marcus den Kopf und schaute sie an. Ihre Augen waren weit geöffnet und glänzten vor Überraschung. Plötzlich zuckten ihre Lider, und die Pupillen verdunkelten sich. Ihr Blick drückte so heißes Verlangen aus, dass er meinte, es körperlich zu empfinden. Das Eis schmolz. Ermutigt wandte er sich ihr ganz zu, sodass er ihr Gesicht zwischen die Hände nehmen konnte. Sie öffnete den Mund, um ihm zu sagen, er solle das lassen, doch er verschloss ihn ihr mit seinem. Jeder Einwand, den sie hatte machen wollen, erstarb, und begierig ging sie auf Marcus’ Zärtlichkeiten ein.
Alles in ihr schrie nach ihm. Sie klammerte sich an ihn, küsste ihn voller Leidenschaft und spürte, wie seine Hände zu ihren Schultern glitten. Der Hut fiel auf den Fußboden, und ihr Cape rutschte herunter, als Marcus den Arm um sie schlang und sie an sich zog. Sie schob ihm die Hände in sein Nackenhaar und drückte ihn fester an sich.
„Oh, Fanny!“, seufzte er schließlich. „Wie habe ich mich danach gesehnt, dich wieder so in den Armen halten zu können!“
„Ach, wirklich?“ Sie war atemlos, und er sah, wie ihre Brüste sich rasch hoben und senkten. Obwohl er den Drang hatte, sie zu berühren, unterließ er es, weil er wusste, dass er das noch nicht tun durfte.
„Du weißt, dass ich mich nach dir verzehrt habe.“
„Ich weiß nichts dergleichen.“
„Ach, komm! Du bist eine Frau von Welt und kein unerfahrenes Mädchen mehr.“
Mit größter Willensanstrengung sammelte sie sich und war sogleich wieder in der Lage, ihre Gefühle zu
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