Küss mich wie damals
für sie. Sie soll strahlen und eine hervorragende Partie machen. Ich will ihr ein guter Vater sein und habe Angst davor, zu versagen. Vermutlich stehe ich bei den Waisenkindern nicht unter diesem Druck.“
„Warum sollten Sie versagen?“
„Das ist schwer zu erklären. Mein Vater hat bei mir versagt, obwohl er sich dessen nicht bewusst war.“ Marcus wandte sich halb Ihrer Ladyschaft zu und lächelte sie an. „Wollen Sie diese Geschichte wirklich hören? Sie ist längst Vergangenheit.“
„Sie scheint Ihr Leben jedoch beeinflusst zu haben, und je eher sie sich das eingestehen, desto schneller werden Sie mit sich ins Reine kommen.“
„Wie klug, Lady Frances! Wieso waren Sie imstande, Ihr Leben so zu gestalten, wie Sie es haben wollten? Ich war ziellos, tat das, was alle Welt von mir erwartete, und hatte das Gefühl, nicht ausgefüllt zu sein.“
„Ist das so?“, fragte Frances leise.
„Ja, vom Tag meiner Geburt an. Erst durfte ich nie vergessen, dass ich der Erbe eines Herzogtitels bin, und musste lernen, mich zu jeder Zeit mit ausgesuchter Höflichkeit in meinen Kreisen zu bewegen und für Leute zu sorgen, die mir nicht ebenbürtig waren, ohne sie spüren zu lassen, dass sie nicht standesgemäß waren. Ich durfte meinen Spaß haben, aber sehr diskret, und wenn ich in Schwierigkeiten war, dann konnte ich mich mit Geld daraus befreien. In allererster Linie hatte ich jedoch darauf zu achten, dass ich eine gute Partie mache. Diesen Gedanken hat man mir von dem Zeitpunkt an eingebläut, als ich alt genug war, mich für das andere Geschlecht zu interessieren.“ Marcus schmunzelte. „Und ich muss Ihnen sagen, dass ich mich schon in sehr jungen Jahren für Frauen interessiert habe.“
„Das glaube ich Ihnen gern.“ Frances lächelte schwach und ahnte, was jetzt kommen würde. Sie war jedoch entschlossen, ruhig zuzuhören. Ihre kühle Attitüde war alles, was ihr noch geblieben war.
„Nachdem ich Cambridge verlassen hatte und nach Hause zurückgekehrt war, um meinem Vater bei der Verwaltung des Besitzes zur Hand zu gehen, kam eines Tages Miss Connaught mit ihren Eltern zu Besuch. So bin ich mit ihr zusammengekommen. Sie gefiel mir recht gut, aber sie war noch sehr jung. Unsere Eltern hatten jedoch beschlossen, dass wir beide heiraten sollten, sobald sie für die Ehe alt genug war. Mein Vater gab mir deutlich zu verstehen, er erwarte von mir, dass ich ihm gehorche. Und damals hatte ich Sie noch nicht kennengelernt“, fügte Marcus achselzuckend hinzu.
„Was hat das alles damit zu tun, dass Sie ein guter Vater sein wollen?“
„Sehr viel! Die Hochzeit war für den Herbst 1800 geplant. Im Sommer sollte Miss Connaught eine Saison in London verbringen, wenngleich ihre Eltern ihr deutlich zu verstehen gegeben hatten, das sei eine reine Formsache. Ich beschloss, ein letztes Abenteuer zu haben, ehe sie mit ihren Eltern in der Stadt eintraf, und bin dann Ihnen begegnet.“
„Das ist längst Vergangenheit, wie Sie soeben bemerkt haben.“
„Vielleicht für die Leute, aber das war noch nicht alles. Ich habe meinen Vater angefleht und ihn gebeten, Abstand von dieser Ehe nehmen zu können, doch er ließ sich nicht erweichen. Er meinte, für einen Gentleman sei es undenkbar, einen Heiratsantrag zurückzuziehen, und wenn ich meiner Familie in dieser Hinsicht Schande machte, würde er mich enterben und meinem jüngeren Bruder John das Vermögen hinterlassen. Ich habe ihm erwidert, das sei mir gleich. Er fragte mich, wie ich ohne jedes Einkommen meine Familie ernähren wolle, besonders eine Frau, die keine Mitgift habe. Ich entgegnete, ich würde das schon irgendwie schaffen, dachte dann jedoch an Sie und wusste, dass ich nicht imstande war, mich so zu verhalten. Sie hatten es nicht verdient, in Armut leben zu müssen. Außerdem war ich sicher, Ihre Mutter werde nicht zulassen, dass Sie ein so sorgenvolles Dasein führen müssten. Trotz all dieser Erwägungen war ich unschlüssig, ob ich mich nicht doch gegen meinen Vater behaupten solle, aber er sagte, meine Mutter sei kränkelnd, und es würde sie umbringen, wenn ich mich nicht fügte. Ich liebte sie sehr und habe deshalb nachgegeben. Meine Ehe war nicht glücklich. Die arme Margaret litt ebenso wie ich. Im Verlauf des Sommers hatte sie einen anderen Mann kennengelernt. Sie hasste mich und lehrte unsere Kinder, mich zu verabscheuen.“
„Lady Lavinia hasst Sie nicht.“
„Nein? Aber Sie hat Angst vor mir, wie Sie mir sagten. Und das war der schlimmste
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