Küss mich wie damals
nach Lady Frances’ Hand. Sacht zog er sie zu sich. „Dann stehe ich tief in Ihrer Schuld.“ Er hob ihre Finger zum Kuss an die Lippen.
Der Blick, mit dem er sie dabei betrachtete, war unergründlich. Sie fragte sich, ob sie Zärtlichkeit, Kummer oder nur eine Spur von Belustigung in seinen Augen sah. „Für alles!“ Diese beiden Worte äußerte er mit großem Nachdruck und verwirrte Frances dadurch noch mehr.
„Wieso bist du in diesem schrecklichen Fuhrwerk hergekommen?“, wollte Lavinia wissen. „Darin ist doch Mr. Poole weggefahren. Wir dachten …“
„Komm, kehren wir zu der Kutsche zurück. Dann werde ich Lady Frances und dir die ganze Geschichte erzählen.“
Lady Frances zur einen Seite, die Tochter an der anderen, kam Marcus auf Major Greenaway und den Earl of Corringham, die vor dem Gefährt auf sie warteten, zu. James drückte die Stiefmutter an sich, schaute erfreut Lady Lavinia an und verneigte sich vor ihr. „Dem Himmel sei Dank, dass wir rechtzeitig gekommen sind.“
Frances hatte sich nicht geirrt, als sie Mr. Poole in der Kutsche gesehen hatte. Er saß gefesselt auf der Sitzbank und starrte mürrisch nach draußen. „Wieso ist er bei Ihnen?“, fragte sie Major Greenaway.
„Wir konnten ihn überwältigen“, erklärte Donald. „Jetzt müssen wir nur auf die Konstabler warten, die nicht weit hinter uns sind, und dann können wir heimfahren.“
Er hatte den letzten Satz kaum ausgesprochen, als ein näher kommendes Fahrzeug zu hören war. Es handelte sich um einen von zwei kräftigen Zugpferden gezogenen Gefängniskarren, der bald darauf hinter der Kutsche anhielt. Drei mit Schlagstöcken und Pistolen bewaffnete Gendarmen stiegen aus und hatten es bald geschafft, den schweigenden Mr. Poole in das Fahrzeug zu befördern. „In der Hütte da hinten ist sein Komplize“, teilte Donald ihnen mit.
„Sie können ihn getrost uns überlassen, Major. Fahren Sie nach Hause. Ich bin sicher, die Damen werden froh sein, wenn sie ein Bad nehmen und sich ausruhen können.“
„Wir sind nicht weit von meinem Landsitz entfernt“, sagte James, während er und Seine Gnaden sich zu seiner in der Kutsche sitzenden Stiefmutter und Lady Lavinia gesellten. Major Greenaway kletterte auf den Kutschbock und nahm neben John Harker Platz. „Dort fahren wir hin, damit die Damen sich etwas erholen können, ehe wir nach London zurückkehren.“
Sobald man unterwegs war, begann Lady Lavinia mit einem ausführlichen Bericht über das, was Lady Frances und ihr passiert war. Ihr Vater musste lächeln. Ihm war klar, dass die plötzliche Erleichterung darüber, in Sicherheit zu sein, seine Tochter so gesprächig machte, dass sie nicht mit dem Erzählen aufhören konnte.
Frances schwieg. Sie wusste nicht, was sie, nachdem die Gefahr überstanden war, hätte sagen sollen, selbst wenn Lady Lavinia lange genug still gewesen wäre, damit sie etwas äußern konnte. Sie ahnte, dass Marcus, nachdem die Freude über die Rettung abgeklungen war und er darüber nachgedacht hatte, was alles hätte geschehen können und wer dafür verantwortlich war, sie zur Rechenschaft ziehen würde. Sie war zwar der Meinung, Lady Lavinia nicht zu ihrem törichten Verhalten ermutigt zu haben, wusste indes, dass sie das Mädchen nicht so gebändigt hatte, wie es nötig gewesen wäre.
Ihr grauste vor dem Ende der Fahrt, da der Duke dann bestimmt darauf bestand, mit ihr unter vier Augen zu reden, und gewiss seinen Heiratsantrag in einem derart kühlen Ton wiederholte, dass bei ihr kein Zweifel daran blieb, er erwarte, von ihr abgewiesen zu werden. Oh, wie schwierig das alles sein würde!
Nachdem Lavinia endlich mit ihrer Geschichte fertig war, fragte sie ihren Vater, woher er gewusst habe, wo er nach Lady Frances und ihr suchen musste. „Lady Frances hat mir gesagt, du würdest kommen, doch als Mr. Poole uns aus der ‚Diebischen Elster‘ wegbrachte, glaubten wir, du würdest uns nie finden. Der Mann schien sich dessen sehr sicher zu sein.“
„Nachdem ich von Harker benachrichtigt worden war, sind Corringham, der Major und ich sofort aufgebrochen. Nach Jacks Angaben haben wir die Spur des Mannes, der Ihre Ladyschaft zu der Schenke gebracht hat, aufgenommen.“
„Aber dadurch konnten Sie nur zu dem Gasthaus gelangen“, warf Frances ein.
„Das stimmt. Wir haben es durchsucht, doch nur ein Stück Stoff gefunden, das an einem geborstenen Fenster hing, und ein paar Blutspuren.“ Marcus ließ unerwähnt, was ihm in dem Moment durch den
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