Kuess mich
fragte er tonlos.
Sam schüttelte mechanisch den Kopf, zu einer anderen Reaktion konnte sie sich nicht durchringen. Hatte er sie tatsächlich gerade geküsst? Warum legte Bastian bloß denselben beschissenen Hang zu Demonstrationen an den Tag wie sie?
>> Na also. Dann haken wir das ganze Thema endlich ab! Hab Spaß mit Mr. Schön und heul nicht wenn er dir das Herz bricht. Ich hau ab. <<
Ganz beiläufig, so als hätten sie gerade ein Gespräch über eine Hausaufgabe geführt, hob Bastian die Hand und stapfte aus dem See.
Sam blieb stehen, eine ganze Weile, als ob ihre Schuhsolen an dem lehmigen Untergrund festgewachsen wären.
Sie starrte Bastian nach , während er gewohnt leichtfüßig in der Dunkelheit verschwand. Vielleicht hätte sie ihm nachlaufen sollen, ihm sagen, dass er sie nicht einfach küssen und dann verschwinden konnte, aber was hätte das wiederum über ihre Gefühle ausgesagt? War das Leben allgemein so schwierig, oder hatte das Schicksal Sam gerade auf dem Radar und amüsierte sich köstlich über so viel Unbehagen und Ahnungslosigkeit? Nein, sie wollte ihm nicht nachlaufen, sie wollte gehen und Chris suchen um ihm zu sagen, dass Bastian kein Thema mehr zwischen ihnen sein würde. Außerdem musste sie dringend die Aufforderung an ihn zurücknehmen, mit ihr schluss zu machen. Alleine der Gedanke verursachte ihr wieder Herzstechen. Manchmal war ihr Mund einfach schneller als der Rest ihres Körpers und dann galt es Schadensbegrenzung zu betreiben.
Sam wusste, dass es wenig Sinn machte zurück zur Scheune zu gehen und sich dort den neugierig mitleidigen Blicken von Pia, Matthias und Sev auszusetzen. Sie wollte alleine mit Chris reden, ungestört sein um das Risiko , wieder die Nerven wegzuschmeißen, zu minimieren. Hoffentlich war Chris gesprächsbereit und hatte diesen eisigen Blick abgelegt.
Noch immer ein wenig durch den Wind, tastete Sam die Hosentaschen nach ihrem Handy ab. Natürlich hatte sie es nicht dabei – soviel zum Thema ihre Generation würde ohne Smartphone keinen Schritt mehr vor die Tür machen. Seufzend rannte sie los.
Geh oder bleib
Bastians Porsche war weg, als Sam ihre Hütte erreichte. Sie hatte sich auf dem Weg hierher eingeredet, dass dieser seltsame Tag ihrer Freundschaft nichts anhaben würde. Sie hatten auch ihre erste Knutscherei totgeschwiegen – Verdrängung war das Zauberwort, dessen magische Wirkung zwar nicht ewig hielt, aber schnell einsetzte.
Gehetzt rannte Sam die hölzernen Treppen, die sie auf ihren Balkon führten, hinauf. Sie hätte ihn beinahe übersehen, hätte seine Zigarettenspitze nicht rot geglüht.
>> Hey! << , piepste sie überrascht und musterte Chris‘ unwirklich hübsche Konturen.
Das Mondlicht legte ein Weichzeichen über sein Gesicht, das er eigentlich gar nicht notwendig hatte, trotzdem sah er faszinierend aus . Er lehnte an der Außenmauer, wie ein erschreckend schöner Schatten, stieß sich ab, als Sam noch einen Schritt auf ihn zu machte.
>> Ich dachte mir, dass du früher oder später her kommst << , meinte Chris und schnipste die Zigarette über das Balkongeländer.
>> Ja..ich hab mein Handy vergessen und wollte dich anrufen und… <<
Sam erinnerte sich wieder, dass sie nicht gut im „sich entschuldigen“ war. Sie schüttelte den Kopf und atmete einmal durch um diese störende Nervosität abzulegen.
>> Es tut mir leid! <<
>> Er ist vorhin weggefahren << , überging Chris Sams Entschuldigung und lies sie im nächsten Moment stutzen.
>> Bastian? << , fragte sie tonlos.
Chris nickte. Er hatte ihn in sein Auto steigen und davonfahren sehen als er hier auf Sam gewartet hatte.
>> Wir haben geredet… << , begann sie vorsichtig zu berichten.
Sie achtete auf jedes einzelne Wort das sie aussprach prätentiös genau, weil es wichtig war jetzt nichts Dummes zu sagen.
>> Ich weiß nicht, warum er sich so idiotisch aufgeführt hat, aber ich kann dir versichern, dass zwischen Bastian und mir absolut nichts läuft! Ich will nichts von ihm, ehrlich! <<
>> Aber er von dir. <<
>> Wir sind nur Freunde! <<
>> Sag das ihm und nicht mir. <<
>> Hab ich und er hat mir versichert, dass er nichts von mir will! Ich kenne Bastian seit dem Kindergarten! Die meiste Zeit sehe ich auch nur das Kind in ihm, einen Freund, einen androgynen Freund der in meinem Leben herumstolpert seit ich mich zurückerinnern kann. Ich weiß schon, dass wir jetzt erwachsen sind und ich sehe manchmal den Grund dafür, warum ihm soviel Mädchen hinterherlaufen. Dass
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