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Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition)

Titel: Küsschen, Küsschen!: Elf ungewöhnliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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Sie mir auch ein Ohr ließen?»
    «Mit einem Ohr möchte ich es diesmal lieber noch nicht versuchen.»
    «Ich wünsche ein Ohr», erwiderte ich. «Ich bestehe auf einem Ohr.»
    «Nein.»
    «Ich will Bach hören.»
    «Sie ahnen nicht, wie schwierig das wäre», sagte Landy freundlich. «Das innere Gehörorgan – die sogenannte Schnecke – ist ein viel empfindlicherer Mechanismus als das Auge. Überdies ist es in Knochen eingeschlossen, und das Gleiche gilt für einen Teil des Gehörnervs, der das Ohr mit dem Gehirn verbindet. Ich kann unmöglich das ganze Ding heil herausmeißeln.»
    «Und wenn Sie es nun mitsamt dem Knochengehäuse in die Schale legen?»
    «Nein», antwortete er energisch. «Die Geschichte ist ohnehin kompliziert genug. Die Hauptsache, Ihr Auge funktioniert, auf das Gehör kommt es nicht so sehr an. Wir können Ihnen ja schriftliche Mitteilungen zum Lesen hinhalten. Die Entscheidung darüber, was möglich ist und was nicht, müssen Sie schon mir überlassen.»
    «Bis jetzt habe ich mich noch gar nicht einverstanden erklärt.»
    «Weiß ich, William, weiß ich.»
    «Ich glaube nicht, dass mir die Idee sehr zusagt.»
    «Möchten Sie lieber ein für alle Mal tot sein?»
    «Vielleicht ja. Ich bin nicht ganz sicher … Würde ich sprechen können?»
    «Natürlich nicht.»
    «Wie sollten wir uns dann verständigen? Woher wollt ihr wissen, dass ich bei Bewusstsein bin?»
    «Oh, das lässt sich mit Leichtigkeit feststellen», sagte Landy. «Der gewöhnliche Elektroenzephalograph würde es uns sofort anzeigen. Wir brauchen nur die Elektroden an die vorderen Lippen Ihres Gehirns in der Schale anzuschließen.»
    «Sie könnten das wirklich feststellen?»
    «Einwandfrei. Das kann man in jedem Krankenhaus.»
    «Aber ich wäre nicht fähig, mich mit Ihnen zu verständigen.»
    «Wahrscheinlich doch», meinte Landy. «In London gibt es einen Mann namens Wertheimer, der interessante Versuche auf dem Gebiet der Gedankenübertragung durchführt. Ich habe mich mit ihm in Verbindung gesetzt. Sie wissen vermutlich, dass das denkende Gehirn aufgrund chemischer Vorgänge elektrische Entladungen produziert, nicht wahr? Und dass es sich dabei um wellenförmige Entladungen handelt, etwa wie beim Radio?»
    «Ein wenig weiß ich davon», erwiderte ich.
    «Gut. Wertheimer hat einen Apparat konstruiert, der ähnlich arbeitet wie der Enzephalograph, jedoch sehr viel empfindlicher ist. Er behauptet, dieser Apparat könne ihm innerhalb gewisser enger Grenzen helfen, die Gedanken eines Gehirns zu verdolmetschen. Und zwar vermittels graphischer Aufzeichnungen, die sich anscheinend in Worte oder Gedanken übertragen lassen. Wäre es Ihnen recht, wenn ich Wertheimer bäte, Sie zu besuchen?»
    «Nein», sagte ich. Landy hielt es bereits für sicher, dass ich mitmachen wollte, und das verübelte ich ihm. «Gehen Sie jetzt und lassen Sie mich in Ruhe», fuhr ich fort. «Sie erreichen nicht das Geringste, wenn Sie so über mich herfallen.»
    Er stand auf und ging zur Tür.
    «Eine Frage noch», sagte ich.
    Er blieb stehen, die Hand auf dem Türknopf. «Ja, William?»
    «Nur dies. Glauben Sie ehrlich, dass mein Gehirn, wenn es in der Schale liegt, genauso funktionieren wird wie in diesem Augenblick? Glauben Sie, ich werde denken und überlegen können wie jetzt? Und wird mir das Gedächtnis erhalten bleiben?»
    «Davon bin ich überzeugt», antwortete er. «Das Gehirn bleibt ja unverändert. Es lebt. Es ist unbeschädigt, unangetastet. Wir haben nicht einmal die Dura geöffnet. Einen großen Unterschied würde es allerdings geben: Da wir jeden zum Gehirn führenden Nerv abgetrennt haben – mit Ausnahme des einen Sehnervs –, wäre Ihr Denken nicht mehr durch Ihre Sinne beeinflusst. Sie würden in einer außerordentlich reinen, von allem Irdischen losgelösten Welt leben. Nichts könnte Sie plagen, nicht einmal Schmerzen, denn Sie hätten keine Nerven, also auch keine Möglichkeit, etwas zu empfinden. In gewisser Weise wäre Ihre Lage geradezu beneidenswert. Kein Kummer, keine Sorgen, keine Schmerzen, weder Hunger noch Durst. Nicht einmal Wünsche. Nur Ihre Erinnerungen und Ihre Gedanken. Und falls die Sache mit dem Auge klappt, könnten Sie sogar Bücher lesen. Mir erscheint das alles sehr schön.»
    «Im Ernst?»
    «Ja, William, im Ernst. Besonders für einen Doktor der Philosophie müsste es ein ungeheures Erlebnis sein. Sie wären in der Lage, mit bisher nie erreichter Objektivität und Gelassenheit über das Weltgeschehen

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