Kuesse - heiß wie die Sonne Siziliens
nicht geglaubt, dass diese Pein jemals wieder verschwinden würde.
Die rothaarige Amerikanerin stellte genau die unbedeutende Ablenkung dar, die er benötigte. Nichts von Belang. Von Zeit zu Zeit brauchte jeder mal eine Abwechslung. Und ob er nun mit ihr stritt, ihr Essen brachte oder sie für ihre Entschlusskraft bewunderte, Isabel war in jedem Fall eine Abwechslung von seinem Leben, das nur aus Arbeit, Arbeit und Arbeit bestand. Eine Abwechslung, ja, das war’s. Kein Grund zur Sorge.
„Ich freue mich, dass Sie ein gutes Gespräch mit dem Besitzer hatten“ nahm er den Faden wieder auf. „In der Hotelbar trifft sich so ziemlich jeder aus der Gegend hier. Nicht zuletzt deshalb habe ich Ihnen so dringend empfohlen, dort zu wohnen.“
„Der Punkt geht an Sie.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Ich habe eine Menge Neuigkeiten erfahren.“
Er fragte sich, was genau sie gehört haben mochte. Gerüchte verbreiteten sich schnell in einer Kleinstadt. Er war froh, dass er ihr schon seine Geschichte erzählt hatte und sie sie nicht über Dritte hörte. Normalerweise hasste er es, über die Fehler seiner Vergangenheit zu sprechen. Aber gestern Abend war es anders gewesen. Vielleicht war es der Wein gewesen, vielleicht der lange unterdrückte Wunsch, diese Geschichte aus seinem Innern hervorzuholen. Eigentlich wünschte er sich nichts Sehnlicher, als dieses Kapitel aus seinem Leben zu vergessen, aber bislang steckte sie ihm wie ein Knochen im Hals.
„Ich habe nichts gegen das Hotel“, sagte Isabel jetzt. „Doch wie Sie wissen, stecke ich mitten in einem schwierigen Prozess, und ich sollte vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage die Woche auf der Azienda sein.“
„Bleiben Sie nicht über Nacht dort. Abgesehen von dem nicht vorhandenen fließenden Wasser und dem Strom, stellen die Wildschweine eine echte Bedrohung dar.“
Ihre Augen weiteten sich. Dann drehte sie sich zu ihm und bedachte ihn mit einem skeptischen Blick. „Ist das schlimmer als die Giftschlangen im Teich?“
„Viel schlimmer“, antwortete er, ohne sich für seine Schwindelei mit den Schlangen zu entschuldigen. „Die Schwarzkittel fallen nachts in Rudeln in die Weinberge ein und entwurzeln die Weinstöcke.“
„Ein Grund mehr, dort zu übernachten. Dann kann ich sie verjagen.
„Gute Idee.“ Offensichtlich glaubte sie ihm nach der Schlangengeschichte nicht mehr. Trotzdem wollte er, dass sie gewarnt war, falls sie vorhatte, nach Einbruch der Nacht auf der Azienda zu bleiben. „Und wie genau möchten Sie das machen?“
„Wie machen Sie es?“
„Ich benutze eine Schrotflinte.“
Isabel presste die Lippen zusammen, denn sie wollte ihm nicht sagen, dass er nach der Schlangennummer seine Glaubwürdigkeit verloren hatte. Außerdem hatte sie keine Lust, sich von ihm einschüchtern zu lassen, wenn auch der Gedanke an eine Horde Wildschweine, die wühlend durch ihre Weinberge streifte, ihr Gänsehaut auf den Armen verursachte. Sie wusste, dass sie niemals ein Tier erschießen konnte. Wie groß waren denn diese verdammten Wildschweine ?
„Aha. Nun, dann scheint es mir umso dringlicher, dass ich aus dem Hotel ausziehe. Was könnte ich denn tun, wenn sie kommen, solange niemand auf dem Gut wohnt und sie verscheuchen kann?“
„Einen Nachtwächter anheuern vielleicht?“, schlug er vor.
„Oh nein, ich werde nicht mein Geld für einen Job ausgeben, den ich auch selbst machen kann. Sie sind nur nicht daran gewöhnt, dass eine Frau ein Wildschwein verjagt.“
„Das ist wohl wahr, daran bin ich nicht gewöhnt. Ich freue mich schon auf den Anblick – Sie Auge in Auge mit dem wilden Eber. Ich zweifle nicht daran, dass die Wildschweine um ihr Leben rennen werden.“
„Ich weiß Ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten zu schätzen“, antwortete sie mit demselben sarkastischen Unterton, den er auch angeschlagen hatte. Er glaubte nicht, dass sie ein Wildschwein verjagen konnte. Das tat sie ebenso wenig, aber sie würde es niemals vor ihm zugeben. Zumindest würde sie es versuchen, wenn es darauf ankam. Die Weinstöcke musste sie schützen, egal wie.
Sie wollte das Thema nicht weiter verfolgen und fragte: „Sind alle Ihre Freunde im Weingeschäft?“
„Mehr oder weniger“, antwortete er. „Sind alle Ihre Freunde im Design-Business?“
„Nein, ganz und gar nicht. Aber ich selbst bin es ja auch nicht mehr. Ich bin inzwischen im Weingeschäft.“
„Ich dachte, Sie wollten ein neues Etikett für Ihren Wein entwerfen?“
„Das will ich
Weitere Kostenlose Bücher