Küsse im Mondschein
Glas ab, überlegte kurz und stach sein Ass dann mit einem Trumpf. Über Martins Lippen huschte ein Lächeln; Amanda hütete sich jedoch davor, ihn anzustarren, und spielte geschickt einfach einen weiteren Trumpf aus.
Sie und Martin gewannen die Runde zwar, erzielten allerdings dennoch nur eine spärliche Menge Punkte. Connor war nicht geneigt, ihnen eine Gunst zu gewähren. Eine Runde folgte auf die andere, während sie weiterhin verbissen um den Sieg kämpften. Martin spielte jetzt deutlich aggressiver, aber das Gleiche galt auch für Connor.
Gegen Ende der vierten Runde konnte Martin mit absoluter Sicherheit behaupten, dass der Graf von Connor der beste Whistspieler war, gegen den anzutreten er jemals das Vergnügen gehabt hatte. Leider wurde dieses Vergnügen jedoch durch den Gedanken an den Einsatz getrübt, der bei einer eventuellen Niederlage zu leisten war. Sowohl Martin als auch Connor nutzten jeden Vorteil aus in ihrem erbitterten Duell der Finten und Täuschungsmanöver. Bisher hatte Amanda sich strikt an seine, Martins, ausdrückliche Anweisung gehalten. Er betete stumm darum, dass sie sich durch seine oder Connors Taktiken auch weiterhin nicht beirren oder ablenken lassen würde.
Immer wieder schaute sie zu ihm herüber, einen sorgenvollen Ausdruck auf dem Gesicht, während sie mit ihren kleinen weißen Zähnen auf ihrer vollen Unterlippe kaute. Und Martin erwiderte jedes Mal ihren Blick, hielt ihn einen Moment lang fest... und ganz so, als ob sie aus diesem kurzen Blickkontakt neue Kraft schöpfte, atmete sie daraufhin jedes Mal einmal tief durch und spielte dann ihre Karte aus - korrekt und ehrlich und ohne irgendwelche Winkelzüge, so wie er es ihr geraten hatte. Wirklich erstaunlich, dachte Martin, wie konsequent sie ist, wenn es darum geht, sich an eine schwierige Richtlinie zu halten. Seine Achtung vor ihr wuchs, während das Spiel seinen Fortgang nahm.
Mittlerweile waren die Kerzen fast ganz heruntergebrannt. Mellors kam herbei, um sie durch frische zu ersetzen. Währenddessen lehnten sich alle vier Spieler in ihren Sesseln zurück und warteten, nutzten den Moment, um Augen und Verstand eine kleine Ruhepause zu gönnen.
Denn sie spielten nun schon seit etlichen Stunden.
Martin, Connor und Meredith waren es gewohnt, ganze Nächte hindurch am Spieltisch zu verbringen. Amanda aber nicht. Bleierne Müdigkeit trübte ihren Blick, obgleich sie angestrengt darum kämpfte, die Erschöpfung in Schach zu halten. Als sie ein Gähnen zu unterdrücken versuchte, spürte Martin, wie Connor - überraschenderweise - zu ihm herüberschaute.
Er erwiderte den Blick des alten Halunken. So scharf wie eine Lanze, schien dieser Blick ihn förmlich zu durchbohren, ganz so, als ob Connor bis tief in Martins Seele zu schauen versuchte. Schweigend zog Martin die Brauen hoch. Connor zögerte noch einen Moment, dann wandte er sich wieder den Karten zu. Sie lagen jetzt Kopf an Kopf, jeder von ihnen hatte zwei Punkte, doch die Runden endeten auch weiterhin unentschieden, ohne etwas an dem Spielstand zu ändern, so ebenbürtig waren sie einander.
Martin teilte das nächste Blatt aus, und sie setzten die Partie fort.
Am Ende war es die Erfahrung, die den Ausschlag gab und das Spiel zu seinen und Amandas Gunsten entschied. Zudem aber machte Connor auch noch einen eklatanten Fehler, er bediente nicht - das fast schon gewohnheitsmäßig mitlaufende Zählwerk in Martins Kopf registrierte das sofort. Dennoch wies er Connor nicht sogleich auf diesen Ausrutscher hin.
Es war nämlich schwer zu begreifen, warum ausgerechnet Connor einen solchen Fehler beging. Selbst dann, wenn er im Begriff gewesen wäre, schlappzumachen - was aber nicht der Fall war -, wäre sein Fehler noch ein wirklich dummer Patzer gewesen. Andererseits natürlich konnte jedem mal ein Fehler unterlaufen - und Martin war überzeugt, dass Connor genau diese Worte als Erklärung vorbringen würde, wenn man ihn danach fragte.
Martin wartete also, bis der letzte Stich ausgespielt worden war. Er und Amanda hatten bei dieser Runde einen Punkt gewonnen. Bevor Connor jedoch die Karten vom Tisch einsammeln und neu mischen konnte, murmelte Martin: »Wenn Ihr bitte die letzten vier Stiche aufdecken würdet...«
Connor warf Martin einen kurzen Blick zu, dann kam er dessen Aufforderung nach. Die Tatsache, dass er das eine Mal nicht bedient hatte, war sofort erkennbar. Connor starrte sekundenlang auf die Karten, dann stieß er hörbar den angehaltenen Atem aus.
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