Küsse im Mondschein
übrig geblieben ist.« Colly überlegte einen Moment, dann schnitt er eine Grimasse. »Das ist aber auch so ziemlich alles, was wir haben.«
Die nächste Marktstadt war Buxton. Eine Fahrt von Hathersage nach Buxton würde jedoch einen ganzen Tag in Anspruch nehmen - so viel Zeit wollte Martin nicht vergeuden. Geschweige denn, dass er Lust hatte, den gesamten näheren und weiteren Umkreis von seiner Rückkehr in Kenntnis zu setzen. Die Wahrheit war nämlich, dass er eigentlich überhaupt nicht nach Hathersage hatte zurückkehren wollen. Und als er so in seinem Porridge rührte und darüber nachdachte, war er sich nicht sicher, ob er die Tatsache, dass er nun plötzlich doch hier gelandet war, überhaupt schon richtig verdaut hatte.
Er zwang sich, sich wieder auf das derzeit dringendste Problem zu konzentrieren, und nickte. »Na schön, dann werde ich mal ein Gewehr mit nach draußen nehmen und sehen, was ich so finden kann. Und anschließend werde ich eines der Pferde satteln und der Bäckerei im Dorf einen Besuch abstatten.«
»Gut.« Colin erhob sich und sammelte die abgegessenen Teller ein. »Hier in der Gegend gibt’s Wild in Hülle und Fülle, und die Bäckerei hat immer’ne Auswahl an Pasteten und Kuchen.«
Amanda stand ebenfalls auf. »Und ich werde hier bleiben, in einigen Zimmern lüften und Staub wischen und ein paar Betten herrichten. Ich muss schließlich Reggie im Auge behalten.«
Martin warf ihr einen flüchten Blick zu. »Colly wird dir zeigen, wo alles ist.«
Nachdem er zwei Stunden lang mit einer Schrotflinte in der Hand über zerklüftete Hügel gewandert war, die er wie seine Westentasche kannte, hatte er eine Ausbeute von drei Hasen vorzuweisen. Und sein Kopf war randvoll mit Erinnerungen angefüllt. Die Hasen gab er sogleich an Colly weiter, damit dieser die Tiere bratfertig machen konnte; dann reinigte Martin die Flinte und ging anschließend zu den Stallungen. Es dauerte eine halbe Stunde, bis er genügend Sattel- und Zaumzeug aufgetrieben und auf seinen ordnungsgemäßen Zustand überprüft hatte, um eines der Kutschpferde satteln zu können; danach gab es für ihn allerdings wirklich keinen Vorwand mehr, um das Unvermeidliche noch länger vor sich herzuschieben.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als er in das Dorf Grindleford einritt. Er trottete an der - momentan leeren - Kirche vorbei, die wie eine wohlwollende Hüterin dastand, die über ihre kleine Gemeinde wachte. Die Katen und Häuschen der Dörfler waren über die in der Nähe gelegenen Felder verstreut; nur die Bäckerei und die Schmiede standen unmittelbar an der eigentlichen Dorfstraße, und zwar die eine direkt gegenüber der anderen. Die Schmiede war geöffnet, doch es ließ sich keine Menschenseele blicken, weder in der Werkstatt noch irgendwo auf den umliegenden Feldern.
Vor der Bäckerei saß Martin ab und band die Zügel seines Pferdes an einem in der Nähe stehenden Baum fest. Eine über der Ladentür angebrachte Glocke klingelte vernehmlich, als er die Tür aufzog; sich innerlich wappnend duckte er den Kopf unter dem niedrigen Türsturz hindurch und betrat den hell und freundlich anmutenden kleinen Laden. Köstliche Düfte aus der im hinteren Teil des Hauses gelegenen Backstube erfüllten den kleinen Verkaufsraum. Ein junges Mädchen in einer weißen Schürze kam diensteifrig aus der Backstube herbeigeeilt, ihr Gesicht glühte förmlich vor Neugierde.
Sie erkannte Martin nicht, was darauf schließen ließ, dass sie entweder zu jung war, um sich noch an ihn erinnern zu können, oder aber erst im Laufe der vergangenen zehn Jahre in den Ort gezogen war. Da Martin wusste, wie selten die Bevölkerung in dieser ländlichen Gegend umzog, nahm er an, dass Erstes der Grund war.
»Womit kann ich Euch dienen, Sir?«
Martin lächelte und ließ sich von ihr die neusten Angebote zeigen. Schließlich wählte er zwei Laibe Brot, unfähig, der Verlockung des deftigen Maisbrots zu widerstehen, das er seit seiner Kindheit nicht mehr gegessen hatte, und obendrein noch verschiedene kleine Törtchen und Pasteten - insgesamt eine so umfangreiche Auswahl, dass das Mädchen ihn mit unverhohlener Wissbegier beäugte.
Martin gratulierte sich im Stillen dazu, dass er seine Aufgabe erledigt hatte, ohne auf jemanden zu stoßen, der ihn noch von früher her kannte, bezahlte die erstandenen Köstlichkeiten und nahm sein Wechselgeld in Empfang. Er wollte sich gerade wieder vom Tresen abwenden, als eine ältere Frau, die sich die Hände
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