Küsse im Mondschein
müsste das wirklich aufgefallen sein.«
»Was wiederum bedeutet, dass es wohl doch nicht Luc war.« Amanda drehte sich zu Martin um. »Aber wer denn dann...?« Sie verstummte. Dann dämmerte ihr die Erkenntnis; erstaunt riss sie die Augen auf. »Ein Gentleman, der genau so aussieht wie Ihr.« Sie packte Martin am Arm. »Der Straßenräuber!«
Der missbilligende Ausdruck in seinen Augen verriet ihr, dass er diese Verbindung längst schon selbst hergestellt hatte - und dass er sich gewünscht hätte, Amanda wäre etwas weniger scharfsinnig. Doch Amanda ignorierte seinen mürrischen Blick ganz einfach. »Und genau darum hat er gestern auch an der Kreuzung gewartet. Er wollte nicht Reggie treffen sondern dich, aber…« Sie runzelte die Stirn. »Woher soll er denn gewusst haben, dass du auf dieser Straße in Richtung Norden reisen würdest?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich möchte doch ernsthaft bezweifeln, dass Reggie das Ziel gewesen ist.«
»Reggie sagte, dass der Schuss in genau dem Moment gefallen wäre, als er sich ein bisschen vorgebeugt hätte.«
»Außerdem hat der ›Straßenräuber‹ sich sein Opfer nach dem Schuss nicht mehr angesehen, sodass wir jetzt nicht sagen können, ob er wohl weiß, dass er auf den Falschen geschossen hat.«
»Aber warum will er dich denn überhaupt umbringen?«
»Um mich daran zu hindern, die Ereignisse um Buxtons Tod noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen - und natürlich auch die näheren Umstände von Sarahs Tod.« Einen Moment lang verharrte Martin in Schweigen. Dann sprang er plötzlich von der Mauer. »Komm mit. Es gibt da noch eine andere Person, mit der wir sprechen müssen.«
Mrs. Crockett starrte Martin lange an. Schließlich trat sie beiseite. »Kommt herein. Ich müsste schon lügen, wenn ich behaupten würde, dass es’ne Überraschung für mich ist, Euch wiederzusehen.«
Amanda warf Martin einen raschen Blick zu. Gelassen schob er sie vor sich her und folgte ihr schließlich in das kleine Wohnzimmer der Kate. Mrs. Crockett winkte sie zu einem Sofa hinüber; sie selbst ging zu einem Schaukelstuhl, der noch immer sanft vor sich hin wippte.
»Nun denn.« Sie warf ihren Gästen über die Feuerstelle hinweg einen scharfen Blick zu. »Ich muss gestehen, dass ich dachte, Ihr wärt es gewesen, der den alten Mann in den Tod stieß. Zumal, wenn man bedenkt, dass sie Euch mit dem Stein in der Hand fanden. Und mit dem Temperament, das Ihr damals hattet, wärt Ihr zu der Tat wohl auch durchaus im Stande gewesen - verdammt selbstgerecht wart Ihr, genauso wie Euer Dad. Und es hätte Euch auch sehr ähnlich gesehen, sofort zu Sarahs Verteidigung anzurücken. Aber dann sagte Conlan, dass Ihr es wohl doch nicht gewesen wärt. Und es gibt keinen hier in der Gegend, der schärfere Augen hat als Conlan - zumindest damals nicht.«
Langsam begann sie wieder zu schaukeln, und ihr Blick schweifte in die Ferne. »Die Wahrheit ist, dass es mir nicht sonderlich leidtat, den alten Buxton tot zu sehen. Nicht nach dem, was er getan hatte. Auf seinem Haupt lasteten die Sünden der Väter. Es geschah ihm also nur recht. Aber«, abrupt hielt sie in ihrem Schaukeln inne und unterzog Martin einer eindringlichen Musterung, »aber zu einer Sache wärt Ihr nicht fähig gewesen, das wusste ich genau: Ihr hättet es niemals über Euch gebracht, meine Sarah auszunutzen oder ihr gar Gewalt anzutun.«
Ihre Stimme hatte einen bitteren Tonfall angenommen. »Ich hatte versucht, ihnen zu sagen, dass Ihr es nicht gewesen sein konntet. Aber alle dachten, mit dem Mord an Buxton hätte sich der Kreis geschlossen. Jeder wusste, dass Sarah, wenn Ihr nur gewollt hättet, sofort die Eure gewesen wäre. Ihr hättet bloß nach ihr zu pfeifen brauchen.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber Ihr habt sie ja nie auf diese Art und Weise gesehen, wie sie Euch ansah. Zumindest ist mir das nie aufgefallen. Ihr hattet ja keinerlei Brüder oder Schwestern - sie war also so etwas wie eine kleine Schwester für Euch.«
»Ja.«
»Recht so.« Mrs. Crockett zog ihren Schal noch etwas enger um sich. »Diese Schwachköpfe, alle miteinander. Wie konnten sie nur denken, dass Ihr es gewesen wärt. Ich wusste es besser. Denn ich hatte auch Sarahs Verletzungen gesehen.«
Amanda spürte, wie Martin mit einem Mal ganz still wurde, wie der ganze Raum den Atem anzuhalten schien. Dann fragte Martin leise: »Verletzungen?«
Mrs. Crocketts Lippen zuckten, dann platzte sie heraus: »Wer auch immer dieser Mann gewesen sein mag - er hat
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