Küsse im Mondschein
Spur.«
Froh und erleichtert über diese Nachricht, schob Amanda am Ende der Mahlzeit ihren Stuhl zurück. »Und jetzt komm, mein Lord und Graf, und führe mich durch deine Ahnengalerie.« Martin erhob sich, sah Amanda aber mit zynisch hochgezogener Braue an. »Das machen Gentlemen doch so, wenn sie ihre potenziellen Ehefrauen beeindrucken wollen, oder etwa nicht?«, fragte sie schelmisch.
Martin betrachtete sie aufmerksam, während er langsam auf sie zutrat. »Du bist so leicht zu durchschauen wie Glas.«
Sie lächelte nur und hakte sich bei ihm ein. »Und du willst dich wohl über mich lustig machen.«
Die Porträts hingen allesamt auf der Galerie am oberen Ende der Haupttreppe. »Gehe ich recht in der Annahme«, fragte Amanda, als sie die Treppe hinaufstiegen, und warf ihm dabei einen flüchtigen Blick zu, »dass du die Sache nach deiner Rückkehr nach England vor allem deshalb nicht mehr weiter verfolgt hast, weil du im Grunde immer davon ausgegangen bist, dass Luc der Schuldige war?«
Martin antwortete nicht sofort. Erst als sie den obersten Treppenabsatz erreicht hatten, drehte er sich zu ihr um und entgegnete: »Ich wusste nicht, was ich denken sollte - ich wusste es ganz zu Anfang nicht und auch später nicht. Luc und ich... Bis zu dem bewussten Zeitpunkt hatten wir uns sogar noch nähergestanden als Brüder. Wir waren zusammen aufgewachsen, unsere Mütter waren Schwestern, wir waren zusammen in Eton zur Schule gegangen, dann machten wir uns gemeinsam daran, London zu erobern...« Er zuckte unschlüssig mit den Schultern. »Nein, zu der Schlussfolgerung, dass Luc der Schuldige wäre, bin ich, ehrlich gesagt, nie gekommen. Ich habe es für möglich gehalten, ja, aber weiter hab ich eigentlich nie gedacht.«
»Und wenn du ihn damals schon nicht verdächtigt hast, dann jetzt wohl erst recht nicht, oder?«
»Nein - ganz sicher nicht. Conlan hatte viel zu gute Augen. Und was diese Sache angeht, dass man Sarah Gewalt angetan hat…« Seine Lippen verzogen sich zu einem sarkastischen Grinsen, als er Amanda anblickte und fortfuhr: »Du kennst doch Luc. Der wird Frauen gegenüber doch höchstens dann einmal energisch, wenn es darum geht, sie sich vom Halse zu halten.«
Amanda schnaubte verächtlich, »Ja, das stimmt allerdings. So etwas passt wirklich nicht zu ihm. Also, wer sonst könnte es gewesen sein?« Damit betraten sie die Galerie.
»Tja, die Antwort auf diese Frage wird dich jetzt wohl überraschen - aber sieh selbst.« Martin führte sie zu den Porträts hinüber.
Allie war in der Zwischenzeit wirklich fleißig gewesen; die Vorhänge an den Fenstern waren zurückgezogen und mit ihren Kordeln fixiert worden. Hell strömte das Licht herein, Staubkörnchen glitzerten in der Luft und tanzten an den Bildern vorüber, die in exakt ausgerichteten Reihen entlang der Wand hingen.
»Fangen wir doch am besten gleich mit dem alten Henry an, dem allerersten Grafen von Dexter.« Martin führt Amanda zu einem Porträt hinüber, auf dem ein barsch aussehender Gentleman zu sehen war, der gemeinsam mit einer Schar Spaniel posierte, die allesamt bewundernd zu ihm aufschauten. »Es heißt, dass er seine Hunde sogar noch lieber mochte als die Gräfin an seiner Seite. Das ist sie.«
Amanda ließ ihren Blick zu dem benachbarten Gemälde hinüberschweifen - dem Bild einer streng dreinblickenden Dame mit eisgrauem Haar und verkniffenen Gesichtszügen. »Hmmm.«
Sie schlenderten weiter, bis sie bei einem Porträt ankamen, das offenbar etwas jüngeren Datums war. »Das ist mein Großvater, der dritte Graf.«
Das Bildnis war offenbar in der Blüte seiner Jahre angefertigt worden. Amanda betrachtete es sehr eingehend, blickte immer wieder mit einem leichten Stirnrunzeln zwischen Martin und dem Bild hin und her. »Der sieht dir aber nicht sonderlich ähnlich.«
»Es sollte wohl eher umgekehrt heißen - ich sehe ihm nicht sonderlich ähnlich.« Martin blickte Amanda in die Augen. »Was die Gesichtszüge angeht, komm ich auch wesentlich mehr nach meiner Mutter.«
Damit wies er mit einer Kopfbewegung in Richtung des Endes der Galerie, und sie schritten weiter an diversen Fulbridges entlang; jedes der Porträts, besonders die der männlichen Familienmitglieder, schien Martins Worte noch zu bestätigen. Die Fulbridges wiesen eine deutlich andere Kopfform auf als Martin, die Stirn wirkte niedriger, die Kinnpartie schien nicht ganz so kantig geschnitten und wie gemeißelt. Insgesamt waren die Züge der Fulbridges eher das
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