Küsse im Mondschein
Gentlemen, die hinter Lady Osbaldestone in die Bibliothek gestürmt kamen - Devil und Vane Cynster.
Devil nickte nur kurz und hatte mit einem einzigen Blick erfasst, wer alles anwesend war. »Sosehr es mich ja schmerzt, Lady Osbaldestone da zustimmen zu müssen, aber ich fürchte, sie hat Recht.« Er schaute Martin geradewegs in die Augen. »Du brauchst noch ein paar Zeugen, die kein persönliches Interesse an der Aufklärung der ganzen Angelegenheit haben, und die auch nicht zur Familie gehören.«
»Aber wir haben doch Reggie«, warf Amanda ein.
Devil warf Reggie einen flüchtigen Blick zu. »Nun, nach dem Verband zu urteilen, den er um seinen Kopf trägt, kann er doch wohl nur schwerlich behaupten, dass er kein Interesse daran hätte, den Mann, der ihm das zugefügt hat, seiner gerechten Strafe zuzuführen.«
Mit einer knappen Geste bedeutete Martin Joseph, dass er sich wieder zurückziehen könne, und wandte sich den anderen Anwesenden zu. »Also, was habt ihr vor?« Er warf einen raschen Blick zur Uhr hinüber. »Wir haben nur wenig Zeit. Und wenn der Übeltäter der ist, den wir bereits im Visier haben, dann wird er - sobald er auch nur einen von Euch hier entdeckt - sofort begreifen, dass das alles eine Falle ist.«
»Aus genau dem Grunde sind wir ja auch durch die Hintertür hereingekommen.« Lady Osbaldestone betrachtete unterdessen die Einrichtung von Martins Bibliothek. »Ihr habt hier ja eine richtige Schatzkammer... Aber genau das «, damit ließ sie noch einmal den Blick durch den Raum schweifen, »brauchen wir jetzt auch.«
Mit Hilfe ihres Spazierstocks deutete sie auf den vierteiligen, aus geschnitztem Holz gearbeiteten Wandschirm. Dann winkte sie mit der Stockspitze Devil und Vane zu sich heran, die daraufhin allerdings instinktiv erst einmal einen Schritt zurückwichen. »Ihr beide da - tragt den mal rüber, und setzt ihn genau hier ab.« Mit dem Stock beschrieb sie eine Linie, die im schrägen Winkel vor den Fenstern der Bibliothek verlief. »Dieser Narr wird ja wohl nicht über den Hinterhof hereinschleichen, und darum wird er uns auch nicht entdecken, wenn wir uns jetzt dahinter verstecken. Ihr dürft mir dann noch den Armlehnensessel hinter den Wandschirm tragen und könnt Euch dann, je einer rechts und einer links, neben mir aufstellen.«
Alle bemühten sich sofort eifrig, Lady Osbaldestones Wünschen nachzukommen. Sie hatten ohnehin keine Zeit mehr, noch großartig über deren barsche Befehle zu diskutieren.
Luc platzierte den Sessel an der angewiesenen Stelle, Martin half der alten Dame, sich darin niederzulassen. Devil und Vane zerrten währenddessen den schweren Wandschirm an Ort und Stelle, und nahmen schließlich ihre Horchposten dahinter ein.
»Perfekt!« Lady Osbaldestones körperlose Stimme schallte aus ihrem Versteck hervor. »Durch die kleinen Löcher hier haben wir den Bereich vor dem Kamin bestens im Blick. Herrlich vorausdenkend, diese orientalischen Paschas.«
Martin und Luc wandten sich von dem Paravent ab und tauschten einen stummen Blick. Dann kehrten sie zu ihren Plätzen zurück und setzten sich.
Und schon wieder läutete die Glocke an der Eingangstür.
23
Das Läuten der Türglocke schien durch das gesamte Haus zu schrillen, streifte mit einem fast schon schmerzhaft hellen Sirren über die angespannten Nerven der versammelten Schar in Martins Bibliothek. Keiner von ihnen schaute den anderen an. Alle lauschten sie nur aufmerksam, versuchten zu erahnen, wer dort vor der Tür stand.
Ein Mann sprach, doch die Mauern dämpften seine Stimme, sodass nur ein leises, tiefes Gemurmel ertönte. Joseph antwortete irgendetwas, dann hörten sie, zuerst ganz schwach, schließlich aber immer deutlicher, den Hall von Schritten, die sich durch den langen Korridor der Bibliothek näherten. Es waren Josephs Schritte und die eines weiteren Mannes.
Ganz ähnlich einer Gruppe von Schauspielern hinter dem sich langsam hebenden Vorhang der Bühne überspielten alle Anwesenden wie auf ein Stichwort hin ihre innere Anspannung, sanken scheinbar entspannt in den Sessel oder auf die Chaiselongue zurück, je nachdem, wo sie gerade saßen, und setzten Mienen gelassener Neugier auf.
Die Tür wurde geöffnet und Joseph erschien. Amanda hielt den Atem an.
»Mr. Edward Ashford, Mylord.«
Martin ließ einen Ausdruck verhaltener Verwunderung über seine Züge gleiten, als er sich von seinem Platz neben Amanda erhob. »Edward?« Seinem Cousin jovial den Arm entgegenstreckend, schritt Martin auf
Weitere Kostenlose Bücher