Küsse im Mondschein
auf der Soiree dann auch tatsächlich alles gutgegangen. Solange er im selben Raum mit ihr war, würde sie niemals in Gefahr sein. »Es geht eher darum, überhaupt erst mal das Potenzial für Gefahren zu schaffen, zumindest in seiner Vorstellung. Für ihn reicht das schon vollauf.«
»Also, dann erzähl doch mal - was genau machst du denn so alles?«
»Das darf ich dir nicht verraten. Er hat es zur Bedingung gemacht, dass ich niemandem sage, was wir vorhaben. Ich darf noch nicht einmal sagen, dass er derjenige ist, der mich begleitet. Aber das weißt du ja bereits.«
Amelias Miene wurde noch eine Idee besorgter, doch dann glättete ihre Stirn sich wieder. »Na ja, nach all den Jahren solltest du eigentlich wissen, was du tust.« Sie kuschelte sich tiefer in die Kissen.
»Wie geht es denn mit deinem Plan voran?«, wollte Amanda nun ihrerseits wissen.
»Leider nur langsam. Mir war überhaupt nicht klar, wie viele mögliche Ehemänner in unseren gesellschaftlichen Kreisen existieren, wenn man mal die Frage außer Acht lässt, ob sie sich auch gerade eine Ehefrau zulegen wollen oder nicht.«
»Ich dachte, du hättest bereits einen Gentleman im Visier.« Amanda glaubte auch beinahe schon zu wissen, wer dieser Gentleman war.
Amelia stieß einen tiefen Seufzer aus. »Das habe ich auch, aber leicht wird es nicht werden.«
Amanda erwiderte nichts; wenn es tatsächlich der war, den sie im Verdacht hatte, dann war »nicht leicht« noch ziemlich untertrieben.
»Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass ich mir sicher sein muss, einhundertprozentig und absolut zweifelsfrei sicher, dass er derjenige ist, den ich wirklich will. Schließlich wird es mich noch einige Mühe kosten, ihn mir zu angeln.« Amelia hielt einen Moment inne und fügte dann noch hinzu: »Und dann kann es trotzdem durchaus sein, dass es mir unter Umständen sogar misslingen wird.«
Amanda sah ihre Zwillingsschwester von der Seite an, wusste jedoch auch keinen Rat.
Die Minuten verstrichen, und die beiden Schwestern lagen einfach nur da, zufrieden damit, sich gegenseitig Gesellschaft zu leisten, während jede mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt war, ihren Hoffnungen, ihren Plänen - all jenen Dingen, über die sie nie sprachen, außer miteinander. Amanda war gerade darin vertieft, sich auszumalen, was wohl bei ihrer Spritztour nach Richmond herauskommen würde, als Amelia sie fragte: »Bist du dir wirklich sicher, dass es ungefährlich ist, Dexter in seinem Beschützerinstinkt auch noch zu bestärken?«
»Ungefährlich?« Amanda schaute sie verwirrt an. »Was meinst du damit?«
»Ich meine Folgendes: Wenn du dir mal all das ins Gedächtnis zurückrufst, was wir von Honoria und Patience und den anderen gehört haben, dann geht dieser Beschützerinstinkt, mit dem du da spielst, Hand in Hand mit einer ziemlich tyrannischen Liebe. Und es handelt sich dabei nicht bloß um irgendeine Feld-, Wald- und Wiesentyrannei. Zumindest nicht bei unseren Cousins.«
Amanda überlegte. »Aber das ist doch eigentlich genau das, was ich will, nicht wahr?«
Amelias Stimme unterbrach ihre Gedanken. »Bist du dir da wirklich absolut sicher?«
4
Amanda stahl sich zur Seitenpforte ihres Elternhauses hinaus in eine enge Gasse. Sie schloss das Tor hinter sich, hüllte sich noch fester ihren Mantel und ging raschen Schrittes zum Ende der Gasse und spähte auf die große Straße hinaus.
An der Ecke North Audley Street wartete eine schwarze Equipage.
Dexter hatte wohl schon nach ihr Ausschau gehalten, denn als Amanda sich näherte, schwang augenblicklich die Tür der Kutsche auf.
»Komm, steig ein. Schnell!«
Seine Hand erschien; groß und langfingrig winkte sie Amanda gebieterisch herbei. Amanda verbarg ein Lächeln, als sie ihre Finger in die seinen legte und sich von ihm beim Einsteigen helfen ließ. Sie setzte sich, er beugte sich an ihr vorbei, um die Tür zu schließen, dann klopfte er kurz an die Decke der Kutsche; diese fuhr mit einem Ruck an und rumpelte die Straße hinunter.
Erst da löste er seinen Griff um Amandas Hand, ließ ihre Finger ganz langsam aus den seinen gleiten. Im flackernden Lichtschein einer Straßenlaterne sah Amanda, wie Martin sie eindringlich anschaute. Sie lächelte erfreut, dann warf sie einen Blick zum Fenster hinaus und betrachtete die Straßen, die draußen an ihnen vorüberzugleiten schienen.
Erregung schwirrte durch ihre Adern, prickelte auf ihrer Haut, als würden tausend winzige Füßchen darüber laufen. Ein Gefühl, das sehr
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