Küsse im Mondschein
schieben, von dem aus sich dieses Ziel, wie die Erfahrung ihr sagte, erreichen lassen würde.
Reggie starrte sie verdutzt an. »Wieso denn das?« Man konnte ihm deutlich ansehen, wie ihm allmählich die Erkenntnis dämmerte, dass er womöglich gerade vom Regen in die Traufe gekommen war.
»Ich möchte Lady Hennessy besuchen.«
»Schon wieder?«
Der Tanz begann, und sie trennten sich für einen Moment, um in entgegengesetzte Richtungen zu schreiten. Als sie wieder zusammenkamen, zischte Amanda: »Also ehrlich gesagt, in Anbetracht dessen, wovor ich dich gerade eben gerettet habe, hätte ich eigentlich von dir erwartet, dass du dankbar sein würdest und nur zu gerne bereit wärst, dich mit mir zu verdrücken.«
Sie ließ Reggie zwei Drehungen lang Zeit, darüber nachzudenken, dann fügte sie hinzu: »Wenn du’s nicht tust, wird sie dich unter Garantie wieder aufspüren.«
Was nur der Wahrheit entsprach. Als sie sich das nächste Mal trafen, nickte Reggie grimmig. »Du hast Recht - dann also auf zu Lady Hennessy. Ist alles in allem doch erheblich sicherer.«
Kaum dass der Tanz geendet hatte, schlichen sie sich unauffällig zur Tür hinaus, ohne auf Miss Brownley oder sonst irgendjemanden zu stoßen, bei dem die Gefahr bestanden hätte, dass er ihre Flucht behinderte. Unterdessen trafen sie jedoch ganz unerwartet auf einen anderen Flüchtenden. Während sie nämlich noch in der Halle darauf warteten, dass man Amandas Umhang aufstöberte und eine Mietdroschke für sie herbeirief, gesellte sich mit einem Male Lucien Ashford zu ihnen. Er kam lässigen Schrittes die Treppe herunter, und als er Reggie erblickte, nickte er diesem freundlich zu. Als er gleich darauf aber Amanda entdeckte, wurde sein Blick sofort scharf und durchdringend. »Und wo wollt ihr beide hin?«
Amanda lächelte betont harmlos und kämpfte den schier überwältigenden Drang nieder, ihm zu sagen, dass ihn das überhaupt nichts anging. Denn so war Luc nun einmal; jede Reaktion dieser Art würde die schlimmstmögliche Wirkung haben - er würde nur noch hartnäckiger werden, noch entschlossener, alles zu erfahren, was es zu erfahren gab. Er war ein Windhund mit vier Schwestern; sie kannte seinen Typ nur zu gut. »Wir wollen noch zu den Farthingales«, erklärte sie.
Reggie hatte wie gewöhnlich seine ausdrucksloseste Miene aufgesetzt und überließ es Amanda zu antworten. Jetzt jedoch nickte er. »Am Cavendish Square.«
Luc sah ihn an. Sah ihn einfach nur schweigend an.
»Und wo willst du hin?« fragte Amanda. Es war ihr egal, was Luc vermutete. Auf die Wahrheit würde er ohnehin niemals kommen. Aber sie sah auch keinen Grund dafür, weshalb sie tatenlos dastehen und zulassen sollte, dass er Reggie in dessen Widerstand gegen ihre, Amandas, Pläne auch noch den Rücken stärkte.
Luc wandte sich nicht sofort zu ihr um, doch als er es dann tat, war sein Blick aus dunkelblauen Augen geradezu stechend. »Ich habe vor, den Rest des Abends in« - seine langen Wimpern verhüllten seine Augen, als er eine seiner Manschetten zurechtzog - »etwas privaterer Umgebung zu verbringen.«
Ein Lakai näherte sich. »Eure Equipage wartet, Mylord.«
»Danke.« Luc wandte sich zur Tür um, blickte dabei aber wieder Amanda an. »Kann ich euch beide mitnehmen?«
Amanda lächelte liebenswürdig. »Ich glaube nicht, dass Cavendish Square auf deinem Weg liegt.«
Luc hielt ihren Blick einen Moment lang fest, dann nickte er. »Wie du meinst.« Mit einem höflichen Nicken in Reggies Richtung schlenderte er zur Tür.
Und Reggie stand hilflos da, mit einer Miene, als ob er sich äußerst unbehaglich fühlte. Amanda hakte ihn unter und schwatzte über irgendwelche belanglosen Dinge, um ihn rasch wieder abzulenken.
Und das gelang ihr sogar recht gut, denn als sie bei Lady Hennessy hereingelassen wurden, hatte Reggie wieder zu seiner gewohnt friedlichen, zugänglichen Art zurückgefunden. Nachdem sie ihre Gastgeberin begrüßt hatten, drückte Amanda Reggies Arm. »Ich möchte mal nachschauen, wer alles hier ist. Wie wär’s, wenn du dir in der Zwischenzeit ein Glas Champagner besorgst?«
»Klar, in Ordnung.«
Fünf Minuten später hatte sie sich vergewissert, dass Dexter keinen der Räume Ihrer Ladyschaft mit seiner Anwesenheit zierte - zumindest keinen der für alle Gäste zugänglichen Räume. Dass er sich vielleicht in einem der Privaträume aufhalten könnte, daran wollte sie lieber gar nicht erst denken, und daher verdrängte sie diese Möglichkeit energisch aus
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