Küsse im Mondschein
unter seinem Arm durch und führte Amanda dann auf den nächstgelegenen Spazierpfad zu.
Kommentarlos fügte Amanda sich in sein Schweigen, denn sie wusste, dass er diese Taktik ganz gezielt immer dann einsetzte, wenn er jemanden auf Abstand halten wollte. Doch sie wusste auch, wie sie seine Wachsamkeit untergraben konnte. Sie schlenderten unter den Bäumen entlang, wanderten durch Schatten und dann wieder durch weiches Mondlicht. Amanda wartete, bis sie tief im Inneren des Parks und außer Sichtweite von Martins Kutscher waren.
Dann zog sie mit einem Mal die Hand von seinem Arm und stellte sich Martin in den Weg, ließ ihn bewusst in sie hineinlaufen und sich dann von ihm an sich ziehen, während er die Hände unter ihren Mantel gleiten ließ und auf den seidenen Stoff ihres Kleides legte. Lächelnd hob sie ihre Hand an seine Wange, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
Es war keiner der klassischen Küsse, mit denen man sich bei jemandem für etwas bedankte, doch Amanda hoffte, dass Martin ihn zunächst dennoch so deuten würde. Denn ganz gleich, ob er sich nun von ihr täuschen ließ oder einfach nur überrascht war, so ging ihre Rechnung doch auf - denn er erwiderte ihren Kuss, und damit hatte sie an diesem Abend endlich die erste kleine Bresche in seine Mauer der Selbstbeherrschung geschlagen.
Sofort nutzte Amanda die sich ihr bietende Gelegenheit und riss die Kontrolle über die Situation an sich.
Er hatte sie schon zu oft geküsst, als dass Amanda nicht gewusst hätte, wie sie sich möglichst kühn und unverfroren gab. Ihrer beider Lippen verschmolzen geradezu miteinander, ihre Zunge tastete nach der seinen und fand sie, liebkoste sie, spielte zärtlich mit ihr. Schließlich schlang sie ihm die Arme um den Hals, reckte sich empor und drückte sich verlangend an ihn.
Der Griff seiner Hände um ihre Taille wurde fester, seine Finger gruben sich in ihre Haut, als wollte er sie sogleich schon wieder von sich stoßen. Doch Amanda neigte den Kopf ein wenig zur Seite, vertiefte den Kuss, fachte die Flammen der Erregung, die zwischen ihnen bereits emporloderten, noch weiter an - und der kritische Moment verstrich, jener Moment, in dem er sich von ihr hätte lösen können und ihre Verbindung damit ein für alle Mal beendet hätte. Seine Hände entspannten sich wieder, bis sie, zögernd, ganz so, als hätte er kurzzeitig die Orientierung verloren, über ihren Rücken glitten und er Amanda mit sanfter Berührung und fast schon verwundert streichelte.
Der Vorteil lag nun eindeutig auf ihrer Seite, und Amanda würde ihn nicht ungenutzt verstreichen lassen, nicht, ehe sie Martin nicht unmissverständlich klargemacht hatte, an welchem Punkt ihre Beziehung mittlerweile angelangt war und was sie, Amanda, ihm zu geben bereit war.
Nämlich sich selbst.
Sie ließ ihr Angebot in ihren Kuss mit einfließen, ließ die Wahrheit über ihre Gefühle für Martin deutlich anklingen, während sie sich gegen ihn sinken ließ. Zwar riss er sie nicht unmittelbar an sich, doch immerhin schloss er leicht die Arme um sie, ganz so, als sei sie nicht aus Fleisch und Blut gemacht, sondern aus feinem Porzellan, und als hätte er Angst, sie zu zerbrechen. Doch wie um ihm zu beweisen, dass er sich irrte, presste Amanda sich noch fester an ihn.
Plötzlich nahm der Kuss eine andere Qualität an.
Verlagerte sich auf eine Ebene, die so ganz anders war als alles, was Amanda bisher erlebt hatte. Sie schwebte nun wie auf einer die Sinne verwirrenden Woge, wie auf einer Flutwelle erotischer Wonnen. Und Martin zog sie immer noch tiefer in diesen Strudel mit hinein, gab die Lust, mit der sie ihn zuvor regelrecht überschüttet hatte, voller Inbrunst zurück. Doch da war noch etwas anderes, das sich verändert hatte. Endlich war klar, dass er sie begehrte - allerdings war es nicht die heißhungrige Begierde des sinnlichen Verlangens, die ihn trieb. Ähnlich verhielt es sich mit der Zurückhaltung, die ihn zuvor noch umfangen gehalten hatte - sie war endlich verschwunden. Und doch stand da ein Hindernis zwischen ihnen beiden, eine Art Barriere, die die endgültige Erfüllung ihrer beiderseitigen Sehnsüchte noch immer verhinderte.
Und nun wusste Amanda, was genau es war, das die neue Nuance ihres Verhältnisses zueinander ausmachte: Sein Verlangen nach ihr hatte sich gewandelt, beziehungsweise trat nun klar hervor. Sie konnte es schmecken in der Art und Weise, wie seine Lippen die ihren verschlangen, spürte es in der ruhigen
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