Küsse im Morgenlicht
nachgedacht. Auf der einen Seite hatten sie beide, er und Amelia, so viel gemeinsam, hatten den gleichen gesellschaftlichen Hintergrund... und auf der anderen Seite wiederum war ihr Leben so unterschiedlich verlaufen. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie man wohl leben mochte, ohne ein weitläufiges Anwesen auf dem Lande sein Eigen zu nennen. Ein Anwesen wie Calverton Chase oder Somersham Place. Während er seine Sommer damit zugebracht hatte, hoch zu Pferde über das hügelige Land zu stürmen, war Amelia stets nur umhergereist, war mal hier zu Besuch gewesen, mal dort... und doch hatte keines der Anwesen ihrer Familie gehört.
Mittlerweile war der Tenor des Hundegebells noch eindringlicher geworden. Luc schaute zurück zum anderen Ende des Ganges, dann stand er auf und fasste Amelia am Arm. »Komm mit. Du kannst uns helfen, die Hunde zu füttern.«
Sofort sprang Amelia auf. Luc führte sie den Gang hinab, entließ die Jungen, deren Aufgabe es war, die Hunde zu füttern, für diesen Abend aus ihrem Dienst und zeigte Amelia, wie viel von den Fleischbrocken sie jeweils in die Näpfe geben sollte. Ohne zu zögern machte sie sich an die Arbeit und lernte schnell, dass man die Hunde zunächst leicht gegen die Nasen stupsen musste, ehe sie einem den Weg zu ihren Futterschüsseln freigaben.
Ganz am Ende des Ganges und in der Box, die gegenüber dem Schlafplatz der alten Hündin Regina lag, war Sugden gerade dabei, den jüngsten Wurf zu begutachten. Die Welpen waren erst knapp sechs Wochen alt und noch nicht entwöhnt. Auch Luc und Amelia näherten sich neugierig der Kinderstube - Sugden nickte seinem Dienstherrn anerkennend zu.
»Die Jungen hier machen sich prächtig. Und in dem da könnte durchaus ein neuer Champion stecken.« Er zeigte auf jenen kleinen Welpen, der mit der Nase dicht über dem Boden gerade die Ecken des Pferches inspizierte, dabei bereits deutliche, wenn auch noch ziemlich kindlich klingende »Wuff«-Laute ausstieß und aufgeregt schnüffelte. Luc grinste, beugte sich über das niedrige Gatter, das die junge Hundeschar umschloss, hob vorsichtig besagten Champion in spe empor und zeigte ihn Amelia.
»Oh! Er hat so weiches Fell.« Sie nahm Luc den Kleinen ab und kuschelte ihn mit entzückter Miene in ihre Arme. Als sie den Welpen dann wie ein Baby in ihrer Armbeuge bettete und sein rundliches Bäuchlein kitzelte, seufzte er leise und schloss die Augen.
Luc beobachtete Amelia, schien von dem Anblick regelrecht hingerissen und wandte schließlich verlegen den Blick ab. Als er sich dann abermals seiner jungen Frau zuwandte, sah diese fragend zu ihm auf. »Später, wenn die Tiere größer sind, können wir dann eines von ihnen Amanda schenken?«
Wieder betrachtete sie verliebt den jungen Hund, sprach zärtlich mit ihm und kraulte unterdessen weiterhin das flaumweiche Fell an seinem Bauch. Luc ließ den Blick über Amelias Kopf schweifen, über ihre goldenen Locken. »Natürlich. Aber erst einmal musst du dir einen aussuchen.« Sanft nahm er ihr den schläfrig gewordenen Welpen wieder ab, stemmte ihn empor und kontrollierte den Wuchs seiner Beine sowie die Größe und die Stellung seiner Pfoten. »Der hier wäre mit Sicherheit schon einmal eine gute Wahl.«
»Oh, aber -« Amelia schaute Sugden an. »Wenn er doch ein Champion wird -«
»Gerade darum könntest du dir gar keinen Besseren aussuchen.« Luc ging in die Hocke und gab den jungen Welpen wieder zurück in die Obhut seiner Mutter. »Er wird Belle noch alle Ehre machen.« Damit streichelte er der Hündin liebevoll den Kopf. Sie schloss die Lider, drehte den Kopf und leckte ihm über die Hand.
Schließlich richtete Luc sich wieder auf und nickte Sugden kurz zu. »Ich komme dann morgen noch einmal zu Euch in den Stall... dann können wir unsere Besprechung fortsetzen.«
Er ergriff Amelias Arm, zog sie fast schon gewaltsam von dem offenbar geradezu faszinierenden Anblick des säugenden kleinen Champion fort, schob sie sanft in Richtung Ausgang und schließlich aus dem Zwingergebäude hinaus. »Jetzt musst du dir nur noch einen Namen für ihn überlegen. In ein paar Wochen wird er entwöhnt sein.«
Amelia starrte noch immer wie verzaubert den Gang hinab. »Kann ich ihn dann schon zu Spaziergängen mitnehmen?«
»Solange du bloß kurze Strecken mit ihm gehst - ja. Wobei du wohl erst mal ohnehin nicht sonderlich weit mit ihm kommen wirst, denn er wird mit Sicherheit mehr herumtollen als laufen. Junge Hunde spielen für ihr Leben gern.«
Amelia
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