Küsse im Morgenlicht
Pflichten gegenüber seiner Familie anging, noch was seine Pächter und Angestellten betraf.
Luc war durch und durch verantwortungsbewusst, und Amelia bekräftigte ihn in dieser Haltung auch noch. Sie brauchte sich über seine Holzbestellung also keine Gedanken zu machen. Es gab ganz einfach keinen Grund dazu.
Keinerlei Anlass, noch länger an ihrer vagen Sorge, dass irgendetwas in ihrem Verhältnis zueinander nicht so ganz stimmig war, festzuhalten.
Am nächsten Tag ritten sie nach Lyddington. Die Häuser des Dörfchens standen fast alle entlang der Hauptstraße aufgereiht, wohingegen das Gasthaus, die Bäckerei und die Kirche sich um den hübschen kleinen Dorfanger drängten. Über dem gesamten Ort schien eine Atmosphäre des soliden Wohlstands zu liegen, aber er wirkte auch ein wenig verschlafen. Das Dorf hatte zahlreiche Einwohner.
Nachdem Amelia und Luc die Pferde beim Gasthaus untergestellt hatten, ergriff er ihren Arm und führte sie auf die Bäckerei zu, aus der ihnen auf einer sanften Brise geradezu himmlische Düfte entgegenschwebten. Amelia schaute sich aufmerksam um und stellte fest, dass seit ihrem letzten Besuch vor fünf Jahren diverse kleine Veränderungen vorgenommen worden waren.
Aber damals wie heute zauberte man in der Bäckerei noch immer die köstlichsten Zimttörtchen, die man sich nur vorstellen konnte. Luc kaufte zwei der kleinen Leckereien, während Amelia einen Schwatz mit Mrs. Trickett hielt, der die Backstube gehörte, und die auch am Verkaufstresen bediente. Es dauerte nicht lange, bis die Bäckerin Luc und Amelia ihre herzlichsten Glückwünsche zur Hochzeit aussprach, womit wohl zweifellos bewiesen war, dass sich die Nachricht von ihrer Eheschließung bereits im ganzen Bezirk verbreitet hatte.
»Wie schön, Mylady, dass gerade Ihr die neue Mistress von Calverton Chase geworden seid. Denn, ich meine, Ihr seid doch quasi schon eine von uns.«
Amelia erwiderte Mrs. Tricketts strahlendes Lächeln, verabschiedete sich höflich von ihr und ließ sich von Luc wieder nach draußen geleiten. Sie tauschten einen flüchtigen Blick, als sie durch die Tür traten, grinsten jedoch nur verstohlen und sagten nichts. Denn diese Bemerkung war ja im Grunde nur zu erwarten gewesen; wenngleich weder Luc noch Amelia zuvor konkret darüber nachgedacht hatte, was wohl die Landbevölkerung von ihrer Eheschließung halten mochte. Doch es stimmte - Amelia hatte zwar nicht in dieser Gegend gelebt, aber sie war doch auch keine Fremde.
Sie setzten sich auf eine Bank mit Ausblick auf den Dorfanger und genossen ihre Zimttörtchen.
»Hmmm«, urteilte Amelia schließlich und leckte sich den Zimtzucker von den Fingern. »Köstlich. Sie sind noch ganz genauso lecker, wie sie schon immer waren.«
»Hier ändert sich eben nicht so viel.« Gierig schluckte auch Luc den letzten Bissen seines Törtchens hinunter, dann streckte er seine langen Beine aus und lehnte sich zurück.
Amelia sah ihn an, sah, wie er auf ihre Fingerspitzen blickte, auf ihre Lippen. Sie lächelte noch ein wenig breiter und leckte ein letztes Mal langsam über ihren Zeigefinger. Dann, einen winzigen Moment später, blinzelte Luc und schaute ihr in die Augen. Betont unschuldig erwiderte sie seinen Blick. »Wollen wir ein bisschen herumschlendern und vielleicht noch mehr Bekanntschaften schließen?«
Den Gastwirt und seine Frau, ebenso wie die Bäckerin, hatten sie ja bereits gesehen. Aber es gab schließlich noch einige weitere Bürger in diesem kleinen Ort, denen sie, um der Höflichkeit Genüge zu tun, einen kleinen Besuch abstatten sollten.
Luc ließ den Blick über Amelias Schulter schweifen und erwiderte: »Das wird nicht nötig sein.« Dann zog er die Beine mit einer eleganten Bewegung wieder an und setzte sich auf. »Die kommen bereits von allein.«
Amelia drehte sich um und sah, wie die Frau des Pfarrers auf sie zugeeilt kam. Sie erhoben sich und tauschten einige Nettigkeiten mit Mrs. Tilby aus. Dann bat die freundliche Frau Amelia, sie doch gelegentlich ein wenig bei ihrer Arbeit für das örtliche Armenhaus zu unterstützen.
»Lady Calverton - ich meine die verwitwete Lady Calverton - ist unsere Schirmherrin. Und natürlich hoffen wir, dass sie diese Position noch über viele Jahre hinweg innehaben wird. Aber es wäre uns dennoch eine Ehre, wenn auch Ihr, Euer Gnaden, unserem Kreis beitreten würdet.«
Amelia lächelte. »Natürlich. Und es wird auch nicht mehr lange dauern, bis Lady Calverton wieder aus London zurückkehrt. Ich
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