Küsse im Morgenlicht
Andererseits aber waren sie einander auch noch nicht zu vertraut. Und gerade dieser kleine Rest, die Distanz, die aus jener alten Familienfreundschaft übrig geblieben war, die schließlich in eine Ehe mündete, verlieh ihrem Beisammensein schließlich die nötige Würze. Dennoch existierte bereits diese Vertrautheit miteinander, dieses entspannte, ungezwungene Verhältnis... das schlichte, doch beruhigende Gefühl, den anderen bereits zu kennen und zu verstehen und auch von ihm Verständnis und Entgegenkommen zu empfangen.
Luc fühlte sich, als ob er mit jedem Tag tiefer in eine Art Strudel hinuntergezogen würde, einen Strudel, der einfach zu himmlisch war, um wahr sein zu können.
Er stieß sich vom Tisch ab. »Und jetzt, glaube ich, muss ich wohl mal nach den Hunden schauen.«
Amelia lächelte und schob ebenfalls ihren Stuhl zurück. »Ich komm mit dir. Ich möchte gern meinen Welpen sehen.« Sie hielt einen Moment inne, den Blick fest in seine Augen gerichtet. »Das meintest du doch hoffentlich ernst, dass du mir den Kleinen schenken wolltest, oder?«
Luc erhob sich, ging um den Tisch herum und zog vorsichtig Amelias Stuhl zurück. »Aber natürlich.« Der kleine Champion war immerhin sein Hochzeitsgeschenk für sie - oder zumindest musste der Hund so lange als Ersatz für das eigentliche Geschenk herhalten, bis Luc Amelia dies endlich überreichen konnte. Er hatte eine Kette und ein Paar Ohrringe für sie anfertigen lassen, die exakt zu ihrem mit Perlen und Diamanten besetzten Verlobungsring passten. Aber noch konnte er ihr den Schmuck nicht schenken, denn noch hatte er ihr nicht sein Geständnis gemacht. Anderenfalls musste Amelia ja zwangsläufig glauben, er wollte ihr mit seinem Schmuck bloß einen Teil ihrer Mitgift zurückzahlen. Und das war eine Vorstellung, wie sie Luc bereits im Vorfeld arge Bauchschmerzen bereitete.
Amelia stand auf; Luc bot ihr seinen Arm an. »Außerdem weiß ich doch, dass du ihn, wenn er gebraucht wird, dem Rudel nicht vorenthalten wirst.«
»Du meinst, wenn die Tiere euch auf einer Jagd begleiten? Soweit ich weiß, lieben die Hunde es doch, mit den Jagdgesellschaften durch das Gelände zu preschen, nicht wahr?«
»Richtig. Und besonders einen echten Champion wie ihn würde es regelrecht umbringen, wenn die anderen Hunde einer Fährte folgen und er nicht mitrennen dürfte.«
Amelia stellte Luc noch einige weitere Fragen über die richtige Haltung der Hunde, und als sie im Zwinger angekommen waren, wandte sie sich geradewegs dem Pferch mit den Welpen zu. Ihr Hund war wieder einer derjenigen, der sich am weitesten fortgewagt hatte von seiner Mutter und bereits neugierig in Richtung der Menschen schnüffelte. Luc war etwas weiter vorn im Gang stehen geblieben und besprach sich mit Sugden; er beobachtete, wie Amelia ihren Welpen heraushob und ihn zärtlich streichelte.
Sie hielt den Welpen dicht an sich gedrückt, der sich in ihren Armen auch sichtlich wohl fühlte, und sprach leise auf ihn ein. Schließlich schlenderte auch Luc zu ihnen hinüber. Mit strahlendem Lächeln wandte Amelia sich zu ihm um. »Du hast gesagt, ich dürfte ihm einen Namen geben.«
Er kraulte dem Kleinen sanft das Köpfchen. »Das darfst du. Aber denk daran, dass es zum einen ein Name sein muss, den wir noch nicht hatten, und zum anderen sollte es ein vernünftiger Name sein. Denn wir müssen den Hund für die Zucht und für die Jagd registrieren lassen.« Er wies mit einer Kopfbewegung auf einen grob gezimmerten kleinen Tisch, der ganz am Ende des Ganges stand. »Sugden führt das Register. Bitte ihn doch einfach darum, es dir zu erklären. Dann kannst du auch kontrollieren, ob der Name, den du dir ausgesucht hast, vielleicht schon einmal vergeben wurde.«
Sie nickte.
Luc kniete sich nieder und tätschelte Belle anerkennend den Bauch, dann musterte er die anderen Welpen. »Es gibt da noch ein paar geschäftliche Angelegenheiten, um die ich mich nun kümmern muss. Ich bin in meinem Arbeitszimmer. Ach, und ich denke, dein Welpe und die anderen Kleinen könnten einen Moment an der frischen Luft gut vertragen. Aber besprich dich am besten erst einmal mit Sugden.«
Amelia schaute Luc hoffnungsvoll an. »Du meinst, sie dürfen draußen spielen?«
Luc grinste sie an, und ein teuflisches kleines Blitzen funkelte ihr aus seinen Augen entgegen. »Na das ist doch wohl die Hauptbeschäftigung junger Hunde - zu spielen.« Er erhob noch knapp die Hand zum Gruß, dann war er auch schon verschwunden.
Amelia
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