Küsse im Morgenlicht
dass wir doch einfach heiraten könnten - eine Heirat zwischen uns beiden käme doch schließlich allen zugute. Sie würde meine Vicomtesse werden und den Status einer verheirateten Dame erlangen, und die finanziellen Angelegenheiten unserer Familie wären ebenfalls geregelt.«
»Und was ist mit dir?«
Luc erwiderte den Blick, den seine Mutter ihm zuwarf. Nach einem Moment des Schweigens ergänzte er: »Und ich stimme dem Ganzen zu.«
Sie drängte ihn nicht, diese Aussage noch ein wenig genauer auszuführen, sondern musterte nur schweigend sein Gesicht. Dann nickte sie und nahm noch einen kleinen Schluck von ihrem Tee. Schließlich, nach einer Weile, hob sie abermals den Blick, sah ihn an und fragte: »Dann gehe ich wohl recht in der Annahme, dass du ihr noch nicht erzählt hast, dass du mittlerweile geradezu beneidenswert vermögend bist?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, denn damit würde ich doch bloß eine äußerst unangenehme Situation zwischen uns beiden heraufbeschwören - du kannst dir doch vorstellen, wie sie sich dann fühlen würde. Zumal...« Luc konnte sich gerade noch beherrschen, um nun nicht zum wiederholten Male mit den Achseln zu zucken. Er nahm seine Tasse auf und trank einen kleinen Schluck. Im Geiste stieß er ein Stoßgebet aus, dass seine Mutter nun hoffentlich nicht noch genauer nach seinen Motiven für die Heirat mit Amelia Cynster forschen mochte.
Und in der Tat, Minerva hatte offenbar keine weiteren Fragen mehr - oder zumindest sprach sie diese nicht laut aus. Doch sie ließ das Schweigen sich ganz bewusst noch ein Weilchen in die Länge ziehen. Unterdessen musterte sie ihren Sohn unablässig mit ihrem dunklen, gewitzten, doch auch verständnisvollen Blick. Ihre Aufmerksamkeit war Luc sehr unangenehm. Er musste an sich halten, um nicht unruhig auf seinem Sessel herumzurutschen.
Schließlich setzte Minerva ihre Tasse wieder auf der Untertasse ab. »Wollen wir doch mal sehen, ob ich das alles nun auch wirklich richtig verstanden habe. Wir beide wissen, dass es Männer gibt, die ihre Ehefrau allein aus finanziellen Erwägungen auswählen. Aber natürlich wollen sie diese Tatsache verbergen und behaupten, sie würden diejenige aus tiefstem Herzen lieben - zumindest tun sie so, als wären sie bis über beide Ohren verliebt. Du dagegen gibst vor, du würdest Amelia nur wegen ihres Geldes heiraten wollen, um zu verbergen, dass du sie -«
»Aber diese Taktik verfolge ich doch nur vorübergehend.« Fest erwiderte er ihren Blick und spürte, wie er fast schon reflexartig den Unterkiefer ein wenig vorschob. »Selbstverständlich werde ich sie über meine wahren finanziellen Verhältnisse aufklären. Aber das mache ich erst dann, wenn ich dazu bereit bin. Solange bleibt dieses ganze Verwirrspiel natürlich streng unter uns. Und was die Londoner Gesellschaft betrifft und auch alle anderen, die noch von unserer bevorstehenden Hochzeit unterrichtet werden... offiziell heiraten wir ganz einfach aus den üblichen Gründen.«
Minerva hielt ihren Blick fest in den seinen gesenkt. Eine volle Minute verstrich, dann nickte sie zustimmend. »Also schön.« In ihrer Stimme schwebte ein Hauch von Mitgefühl. Sie setzte die Tasse ab, und ein liebevoller Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. »Wenn du die ganze Sache also unbedingt auf diese Weise angehen willst, dann verspreche ich dir, dass ich Stillschweigen bewahren werde und die Aufdeckung der Geschichte ganz allein dir überlasse.«
Genau dieses Versprechen war der Grund gewesen, weshalb Luc seine Mutter aufgesucht hatte - darüber waren sich beide im Klaren.
Er nickte und trank seinen Tee aus. Minerva lehnte sich in die Kissen zurück und plauderte noch ein wenig über belanglose Dinge. Schließlich erhob Luc sich wieder und verabschiedete sich von seiner Mutter.
»Aber denk dran.«
Sanft rief sie ihm diese Worte nach; er war schon an der Tür angelangt, die Hand auf dem Türknauf, drehte sich schließlich aber doch noch einmal zu ihr um.
Minerva zögerte einen Moment. Er ahnte den zweifelnden Ausdruck in ihren Augen mehr, als dass er ihn tatsächlich sah. Dann schenkte sie ihm ein herzliches Lächeln. »Abendessen um sechs.«
Luc nickte. Als sie schließlich nichts mehr sagte, neigte er kurz den Kopf und verließ ihr Wohnzimmer.
Später am selben Abend betraten sie den Ballsaal der Mountfords und stellten sich in der Reihe jener Gäste an, die darauf warteten, ihren Gastgeber und ihre Gastgeberin begrüßen zu können. Luc stand unmittelbar
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