Küsse im Morgenlicht
ein kleines Fest zu geben. Das Essen wird um sechs Uhr serviert - für uns ist das zwar ziemlich früh, ich weiß, aber du kennst ja Robert.«
Luc nahm die Tasse entgegen, die sie ihm anbot. »Und wie steht es mit Emily und Anne?«
»Ich habe ihnen gesagt, dass sie ein bisschen zu unternehmungslustig sind. Und da wir heute Abend auf keiner offiziellen Abendgesellschaft erscheinen müssen, habe ich ihnen vorgeschlagen, dass sie am besten bis sieben Uhr schlafen sollten, dann das Abendessen in ihren Zimmern einnehmen und sich anschließend für den Ball bei den Mountfords herrichten.«
Um Lucs Lippen spielte ein leichtes Lächeln. Seine Mutter war eine genauso skrupellose Taktikerin wie er selbst.
»Und nun...«, fuhr Minerva fort, während sie sich in die Kissen zurücksinken ließ, einen kleinen Schluck von ihrem Tee nahm und Luc mit durchdringendem Blick ansah, »erzähl mir doch mal, was dir auf der Seele lastet.«
Doch Luc lächelte sie beruhigend an. »Also ich möchte doch bezweifeln, dass wir es hier mit einer ›Last‹ zu tun haben - ich habe mich entschieden zu heiraten.«
Sie blinzelte verwundert, hielt mitten in der Bewegung inne und sah ihn schließlich mit großen Augen an. »Bitte korrigiere mich, falls ich mich irren sollte, aber kommt dieser Entschluss nicht ein klein wenig plötzlich?«
»Ja und nein.« Luc setzte seine Tasse ab und staunte im Stillen darüber, wie wenig er doch vor seiner Mutter verbergen konnte. Minerva war wirklich überaus scharfsinnig - besonders, was ihre Sprösslinge anging. Der Einzige, den sie nie richtig einzuschätzen vermochte, war Lucs Bruder, Edward, gewesen. Jener Bruder, der erst vor kurzem wegen Verbrechen des Landes verwiesen worden war, die sie alle, die gesamte Familie, noch immer nicht so recht begreifen konnten.
Luc zwang sich, seine Gedanken wieder von Edward abzuwenden, und schaute seine Mutter an. »Meine Entscheidung ist nur insoweit etwas plötzlich, als dass ich bis zum gestrigen Tage ja noch gar nicht in der finanziellen Lage gewesen bin, ernsthaft an eine Heirat denken zu dürfen - wie du sehr wohl weißt. Auf der anderen Seite wiederum ist mein Entschluss überhaupt nicht überraschend, da ich die besagte Dame schon seit geraumer Zeit ins Auge gefasst habe.«
Minerva schaute ihn gelassen an. »Amelia Cynster.«
Luc musste sich wirklich anstrengen, um sich sein Entsetzen über die anscheinende Hellsichtigkeit seiner Mutter nicht anmerken zu lassen. War er denn - ohne es zu wissen - tatsächlich so leicht zu durchschauen gewesen? Rasch verdrängte er auch diesen Gedanken. Stattdessen nickte er kurz. »Du sagst es. Wir haben uns entschieden -«
»Warte.« Verblüfft riss Minerva die Augen auf. »Hat sie denn etwa schon zugestimmt?«
Vorsichtig wich Luc im Geiste wieder einen Schritt zurück. »Wir sind uns gestern Nacht kurz über den Weg gelaufen.« Er vermied es, seiner Mutter zu verraten, wo genau sie sich über den Weg gelaufen waren. Sie würde sicher denken, er hätte irgendeinen Ball besucht. »Heute Nachmittag haben wir uns noch einmal getroffen und unseren Entschluss noch ein wenig, sagen wir, präzisiert. Sicherlich ist das Ganze erst mal noch nicht spruchreif, aber...« Ganz gleich, wie angestrengt Luc nachgrübeln mochte, so sah er doch leider keinerlei Möglichkeit, wie er nun darum herumkommen könnte, seiner Mutter endlich die gesamte Wahrheit zu gestehen. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Um ehrlich zu sein, der Vorschlag mit der Heirat stammt von ihr.«
»Gütiger Gott!« Erschrocken hob Minerva abermals die Brauen und starrte ihren Sohn fragend an.
»Sie hat unsere Maskerade durchschaut. Es waren eben die viel beschworenen, zahlreichen Kleinigkeiten, die ihr verraten haben, dass uns das Wasser quasi bis zum Halse stand. Mittlerweile ist der Zeitpunkt gekommen, dass sie heiraten will, sie möchte eine passende und gute Verbindung eingehen. Ich glaube, durch Amandas Heirat fühlt sie sich nun - wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem gesamten Leben - in gewisser Weise einsam. Allerdings hat sie keinerlei Bedürfnis, einen dieser jungen Burschen zu heiraten, die ja geradezu vor ihrer Haustür Schlange stehen und nur darauf warten, ihr offiziell den Hof machen zu dürfen.«
»Und da ist sie plötzlich auf dich gekommen?«
Luc zuckte mit den Achseln. »Wir kennen uns doch nun schon eine halbe Ewigkeit. Und nachdem sie dann auch noch die missliche Lage erkannt hat, in der sich unsere Familie befand, schlug Amelia mir vor,
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