Küsse im Morgenlicht
gesellte Amelia sich zu Lucs Schwestern. Und da sowohl sie als auch Amanda sich die gesamte Ballsaison über bereits geradezu aufopferungsvoll darum bemüht hatten, Emily und Anne ein wenig von deren Befangenheit zu nehmen, schien auch niemand darüber verwundert, dass Amelia nun, wie schon so oft, mit den beiden Ashford-Mädchen plauderte. Im Stillen war Luc Amelia und Amanda für deren selbstlose Bemühungen um den gesellschaftlichen Erfolg seiner Schwestern überaus dankbar - wie dankbar er aber tatsächlich war, würde er keiner der beiden jemals verraten.
Im Übrigen gehörte auch er in gewisser Weise zu diesem Kreis dazu, sodass keine der notorischen Klatschbasen in diesem Ballsaal auch nur eine Augenbraue hochzog, als er durch den Raum schlenderte, um sich Amelia und den anderen anzuschließen.
Und sie waren wirklich eine bunte und äußerst anziehende Gruppe. Die drei jüngeren Mädchen - allesamt braunhaarig und etwas kleiner als Amelia - trugen Kleider in Pastellblau und zartem Rosa und wirkten geradezu wie kleine Blütenblätter, um die sich die dunkleren Fräcke der Gentlemen schmiegten. Im Zentrum der kleinen Versammlung aber stand in einem seidenen, mattgoldfarbenen Kleid Amelia. Die Schattierung ihrer Robe betonte ihre makellose, elfenbeinweiße Haut, ließ ihr Haar in einem noch etwas tieferen Goldton schimmern und hob das fast schon verwirrend intensive Blau ihrer Augen noch ein wenig stärker hervor.
Emilys, Annes und Fionas Tanzpartner hatten sich ein wenig zurückgezogen und unterhielten sich entspannt miteinander. Unterdessen waren drei weitere und allesamt noch recht junge Gentlemen auf die Mädchen zugestürmt - in der Hoffnung, die Mädchen ihren älteren Kontrahenten für den nächsten Tanz entführen zu können. Zu Lucs Verärgerung hatte sich aber auch Melrose zu der Gruppe gesellt. Er war Amelia augenscheinlich gefolgt. Und auch Hardcastle hatte sich gelassen neben ihr aufgebaut und ließ nun begehrliche Blicke über ihre schlanke Gestalt schweifen. Luc verbarg seinen Impuls, ein instinktives Knurren auszustoßen, hinter einem entspannten Lächeln, verbeugte sich vor Amelia, nickte den beiden Gentlemen, die jeweils rechts und links von ihr standen, einmal knapp zu und manövrierte sich so geschickt in die Gruppe hinein, dass er unmittelbar neben Amelia stand.
Sie bemerkte die Absicht, die hinter dieser Geste lag, durchaus, ließ sich aber nichts anmerken. Nachdem Luc einen argwöhnischen Blick über seine Schwestern, Fiona und deren Verehrer hatte schweifen lassen, überließ er die jungen Paare ausnahmsweise einmal sich selbst und wandte dann seine ganze Aufmerksamkeit Amelia zu... und der Aufgabe, ein möglicherweise auftretendes Problem am besten gleich im Keim zu ersticken.
»Man sagt«, mischte Luc sich ganz beiläufig ins Gespräch, sobald die erste Gesprächspause entstand, »dass Toby Mick in Derby höchstwahrscheinlich gegen den Knirscher antreten muss.«
Amelia starrte Luc an; auch Melrose wirkte leicht schockiert. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass solch blutrünstige Angelegenheiten wie die Heldentaten der aktuellen Boxmeister nicht in Gegenwart von Damen erörtert wurden.
Hardcastle dagegen schien vor lauter aufgestauter Begeisterung für dieses Thema fast schon zu platzen. Er warf Amelia einen bettelnden Blick zu, fragte: »Es macht Euch doch hoffentlich nichts aus, nicht wahr, meine Liebe?« und verkündete dann - ohne ihre Antwort abzuwarten - auch schon mit lauter Stimme: »Ja, das stimmt. Ich hab es von Gilroy persönlich. Sie sagen zwar, dass der ganze Spaß nach spätestens drei Runden wieder vorbei sein wird, aber -«
Melrose schien nur schwer entscheiden zu können, ob er sich nun in die Diskussion einmischen sollte oder sich besser seiner Meinung enthielt. Mildes Interesse heuchelnd und scheinbar vollkommen unempfänglich für Amelias bohrende Blicke, wartete Luc einfach ab.
»Und es heißt sogar, dass Cartwright jetzt, da sie den Wetteinsatz sogar noch verdoppelt haben, darüber nachdenken soll, ob er sich nicht freiwillig k. o. schlagen lässt.«
Als nun auch noch Cartwright, ein weiterer der Kandidaten für den nächsten Boxkampf, ins Spiel gebracht wurde, war es mit der Geduld von Melrose endgültig vorbei.
»Meine Rede! Aber ist so etwas tatsächlich wahrscheinlich? Ich meine, es ist doch nun nicht so, als ob Cartwright unbedingt eine Auszeit bräuchte - bei dem Kampf in den Downs, also den großen Boxhallen, vor zwei Wochen, war er doch noch in
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