Küsse im Morgenlicht
er einen Gewinn daraus schlagen will.«
Lucifer nickte. »Richtig. Aber davon gehen wir jetzt einfach einmal aus.«
Schwer fühlte Amelia Lucs Blick auf sich ruhen. Sie wandte den Kopf um und sah ihn an. Er wartete offenbar darauf, dass sie den anderen von dem Lorgnon erzählte. Sie erwiderte seinen Blick, sagte aber nichts.
»Es gibt da noch einen weiteren, vielleicht sogar noch wichtigeren Punkt, den wir bedenken müssen«, meldete sich Phyllida vom anderen Ende der Chaiselongue zu Wort. »Die Diebstähle gehen offenbar immer noch weiter.«
»Was bedeutet«, nahm Amelia das Argument auf, das sie und Phyllida bereits zuvor unter vier Augen diskutiert hatten, »dass der Dieb noch immer auf Beutezug ist. Es besteht also die Chance, dass wir ihn irgendwie erwischen könnten, ihm damit sozusagen die Maske vom Gesicht reißen und die Angelegenheit endlich klären könnten.«
Lucifer nickte. »Du hast Recht.« Nach einem Moment überlegte er dann laut: »Wir müssen einen Weg finden, um denjenigen, wer immer es auch sein mag, ans Licht zu locken...«
Es wurden noch diverse Vorschläge gemacht, wie man den Dieb vielleicht fassen könnte, und doch kamen sie an diesem Abend zu keinem sinnvollen Ergebnis mehr. Gedanklich noch immer ganz in die Sache vertieft, zogen sie sich schließlich zurück und gingen zu Bett.
»Warum hast du ihnen denn nichts von dem Lorgnon in Annes Tasche erzählt?« Luc ließ sich neben Amelia in die Kissen sinken. Nachdenklich lag er auf dem Rücken und starrte in den Betthimmel empor. Amelia blies die Kerze aus. Silbrig und zart wie ein Schleier fiel das blasse Mondlicht in ihr Zimmer.
»Du hast doch auch nichts davon gesagt - warum?«
Luc antwortete nicht sogleich, denn er wunderte sich über ihren scharfen Ton. Andererseits aber konnte er sich nicht vorstellen, warum sie plötzlich wütend auf ihn sein sollte. »Na, ich kann doch wohl schlecht eine Geschichte zum Besten geben, die eine meiner Schwestern als Diebin darstellt. Zumal sie deiner Meinung nach ja noch nicht einmal die wahre Schuldige ist.«
»Na also! Da hast du es.« Nach einem Moment des Schweigens fuhr sie mit nicht mehr ganz so strenger Stimme fort: »Und jetzt verrate mir mal, wieso du geglaubt hast, dass ich anders darüber denken könnte.«
Mit einem Mal war Luc sich nicht mehr sicher, ob er Amelia nicht gerade völlig falsch verstanden hatte und ihr wieder einmal zu Unrecht misstraute. »Na ja, wie soll ich es sagen... ich meine, Lucifer ist doch schließlich dein Cousin. Und er ist ein Cynster.«
Amelia wandte den Kopf zu ihm um und schaute ihn an. »Aber du bist mein Ehemann.«
Er spürte ihren Blick, erwiderte ihn aber nicht, sondern starrte weiterhin zum Baldachin hinauf, während er versuchte, endlich einen Sinn in die ganze Angelegenheit zu bringen. »Und dennoch bist du durch und durch eine Cynster...« Luc hätte ihr seine Meinung nun natürlich noch etwas ausführlicher erläutern können, doch er traute sich nicht.
Nun wandte Amelia sich ihm mit ihrem ganzen Körper zu und stützte sich auf einen Ellenbogen. Stirnrunzelnd musterte sie sein Gesicht. »Ich mag zwar eine geborene Cynster sein... aber geheiratet habe ich dich. Und damit bin ich nun eine Ashford. Folglich tue natürlich auch ich alles, was nur irgend in meiner Macht steht, um deine Schwestern zu schützen.«
Nun konnte er nicht mehr anders, er musste sie einfach ansehen. »Sogar, wenn das bedeutet, dass du Lucifer etwas verschweigen musst?«
Sie erwiderte seinen Blick. »Wenn du die Wahrheit hören willst - über die Frage habe ich überhaupt nicht einmal nachgedacht. Meine ganze Loyalität gehört nun dir und darüber hinaus natürlich auch unserer Familie.«
Plötzlich schien sich eine Art Knoten in seinem Inneren zu lösen. Eine Anspannung, die Luc bis zu diesem Moment gar nicht recht wahrgenommen hatte, verschwand ganz einfach, verließ seinen Körper. Wieder und wieder hallten Amelias letzte Worte in seinem Hinterkopf nach, und der hartnäckige Zug um ihre Lippen und ihr Kinn verrieten, dass sie es mit ihrer Erklärung auch wirklich ernst meinte, und dass ihre Haltung ihm gegenüber durch nichts zu erschüttern war.
Dann konnte er nicht mehr an sich halten und fragte: »Kannst du das wirklich - so einfach die Seiten wechseln? Können Frauen von heute auf morgen plötzlich einer ganz anderen Familie die Treue halten?«
Selbst in dem nur schwachen Schein des Mondes erkannte er in dem Blick, den Amelia ihm nun zuwarf, dass sie ihn
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