Küsse im Morgenlicht
Worte in ihr Bewusstsein eingedrungen waren. Dann fügte er hinzu: »Besorgt mir das Halsband. Das ist der sicherste Weg, Euch ein für alle Mal von mir zu befreien.«
Er schwieg, während die junge Frau innerlich einen Kampf gegen ihr schlechtes Gewissen ausfocht. Ein Gewissen, das sich leider erst viel zu spät gemeldet hatte, um sie nun noch retten zu können. Die Geschichte, die er, Kirby, sich eben so schnell ausgedacht hatte, um sie abermals zu einem Diebstahl zu überreden, war so fadenscheinig, dass dahinter bereits deutlich die Fratze der Lüge zu erkennen war. Doch er bezweifelte, dass auch seine Komplizin so weit denken würde, beziehungsweise, dass sie überhaupt fähig war zu erkennen, welch gefährliche Fallstricke sich in dem Netzwerk befanden. Besonders eine der Schlingen schien sich zunehmend enger um ihren Hals zu legen.
Sie hatte auf ihn von Anfang an nicht den Eindruck gemacht, als ob sie sonderlich helle wäre; nun jedoch, da auch noch Angst und Panik ihr den Verstand vernebelten, würde sie erst recht nicht den einen, winzigen Ausweg aus ihrer verzweifelten Lage erkennen. Sie würde sich nicht mehr aus seinen Fängen befreien können.
Schließlich und genauso, wie er erwartet hatte, verschränkte sie ihre Hände noch fester und blickte in hilfloser Furcht zu ihm auf. »Wenn ich Euch jetzt das Halsband besorge - schwört Ihr mir dann, dass Ihr danach auch wirklich für immer verschwindet? Schwört Ihr, dass ich Euch von dem Moment an, wenn ich Euch das Collier übergebe, niemals wieder sehen muss?«
Er lächelte und hob die rechte Hand. »So wahr Gott mein Zeuge ist. Sobald Ihr mir das gute Stück in die Hände legt, seht Ihr mich niemals wieder.«
Das Feuerwerk war ein überwältigender Erfolg gewesen und genau das richtige Zeichen, um die erste Hälfte des Sommerfests für abgeschlossen zu erklären. Als die letzten Funken vor dem nun tiefschwarzen Himmel verblasst waren, stießen sämtliche Besucher und Familienangehörige einen tiefen Seufzer aus. Dann, langsam, kehrten alle mit ihren Gedanken wieder in die Wirklichkeit zurück.
Während die Nachbarn und anderen Gäste sich im Ballsaal versammelten und auf den Beginn des formellen Teils des Abends warteten, standen Luc und Amelia noch einige Minuten auf den Stufen der Terrasse und verabschiedeten ihre glücklichen, doch auch erschöpften Pachtbauern, die Dorfbewohner sowie noch einige weitere Gäste aus der näheren Umgebung.
Sie alle sprachen ihren Gastgebern ihren herzlichsten Dank für die Einladung aus und schlenderten dann in kleinen Grüppchen durch die Gartenanlagen davon. Manch einer bog schließlich über die Seitenwege in Richtung der Auffahrt ab, wo man den einen oder anderen Gig und sogar so manchen Bauernkarren abgestellt hatte. Andere gingen zu Fuß an den Ställen vorbei und auf den zu Calverton Chase gehörenden Gutshof zu. Und wieder andere marschierten den Pfad seitlich der Ziergärten entlang und trugen ihre schlafenden Kinder nach Hause.
Als schließlich auch die Letzten ihren Abschied genommen hatten, stieß auch Amelia einen leisen, doch höchst zufriedenen Seufzer aus und ließ sich von Luc ins Innere ihres Hauses führen.
Auch der zweite Teil des Abends verlief wie geplant. Das Streicherquartett, das zuvor jene älteren Damen unterhalten hatte, denen ein Spaziergang durch die Gartenanlagen zu anstrengend gewesen war, verwöhnte nun die Ballgesellschaft mit schwungvollen Walzern und Kotillons. Die Nachbarn lachten und tanzten, während die Stunden unaufhaltsam verstrichen.
Nichtsdestotrotz war dies kein Ball in den gehobenen Londoner Kreisen, sondern eine Gartenparty auf dem Lande, sodass bis etwa elf Uhr schließlich auch die Ballgäste all ihre mitgebrachten Verwandten und Bekannten wieder um sich geschart hatten und Calverton Chase verließen. Zumal nicht wenige von ihnen noch eine lange Fahrt vor sich hatten, ehe sie endlich in ihre Betten sinken konnten. Auch Lucs Familie zog sich in die oberen Stockwerke zurück. Jeder benahm sich ganz bewusst genauso wie immer. Alle trugen ein zufriedenes Lächeln zur Schau und wünschten einander eine gute Nacht. Erst, als Miss Pink und Lucs vier Schwestern in ihren Zimmern verschwunden waren, ließen die restlichen Familienmitglieder die Masken sinken.
Das war jedoch die einzige Vorsichtsmaßnahme, die sie nun außer Acht ließen. Ansonsten blieb innerlich jeder in höchster Alarmbereitschaft. Schließlich konnte man nicht wissen, ob sich der Schurke nicht bereits
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