Küsse im Morgenlicht
dein Bett.«
In der inständigen Hoffnung, dass Anne sich ihrer Bitte fügen würde, lief Amelia aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie rannte bereits den Korridor hinab, als ihr plötzlich Emily einfiel. Dicht vor deren Tür blieb sie stehen, lauschte einen Moment und drehte schließlich vorsichtig den Türknauf. Auf Zehenspitzen schlich sie in den Raum hinein, gerade so weit, um erkennen zu können, dass Emily zweifellos noch immer fest schlief und tief in ihren unschuldigen - oder vielleicht auch nicht mehr ganz so unschuldigen - Träumen versunken war.
Amelia stieß in Gedanken einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, zog sich wieder zurück und eilte in Richtung der Treppe. Dort, am oberen Absatz der Stufen, traf sie auf Helena und Minerva, die gerade von Simon ins Untergeschoss geleitet wurden.
Simon blickte auf. »Sie haben sie.«
»Ich weiß. Ich habe es gesehen.«
»Das arme Kind«, meinte Minerva mit mitleidiger Stimme. »Nun ja, jetzt werden wir der Sache einmal richtig auf den Grund gehen müssen. Wir müssen herausfinden, was wirklich dahintersteckt. Ich kann mir nämlich einfach nicht vorstellen, dass das alles allein ihr Werk sein soll. Sie war nie ein schlechtes Mädchen.« Dann blieb Minerva stehen, eine Hand auf die Balustrade gelegt, in ihren Augen ein grüblerischer Ausdruck. Schließlich blickte sie wieder auf. »Jemand sollte nach Portia und Penelope sehen.« Minerva schaute Amelia an.
Die nickte. »Kein Problem, das mache ich. Anschließend komm ich runter zu euch.«
Minerva schritt weiter die Treppe hinab. »Und sag ihnen, dass sie in ihren Betten bleiben sollen«, flüsterte sie ihrer Schwiegertochter über ihre Schulter hinweg noch zu.
Amelia, die bereits wieder die Stufen hinaufeilte, bezweifelte, dass man die beiden mit einer solchen Vorgabe in ihren Betten halten konnte. Ihre einzige Hoffnung war, dass die Mädchen gar nicht erst aufgewacht waren von dem Lärm und immer noch schliefen.
Doch diese Hoffnung zerschlug sich, sobald sie vorsichtig die Tür zu Portias Zimmer öffnete. Komplett angekleidet, standen Lucs jüngste Schwestern an Portias Fenster, gefährlich weit hinausgebeugt, und beobachteten wahrscheinlich gerade, wie Fiona zwei Stockwerke unter ihnen ins Innere des Hauses geführt wurde.
Amelia trat ein und schloss mit einem vernehmlichen Klicken die Tür. »Was glaubt ihr zwei eigentlich, was ihr da tut?«
Ihre beiden Schwägerinnen drehten sich zu ihr um, und nicht der kleinste Hinweis auf ein schlechtes Gewissen spiegelte sich in ihren Gesichtern.
»Wir beobachten, wie eure Falle zuschnappt...« Damit wandte Penelope sich wieder zum Fenster um.
»Sie haben sie jetzt drinnen eingesperrt.« Portia richtete sich auf und kam auf Amelia zu.
Penelope folgte ihr. »Ich hätte wirklich nie gedacht, dass euer Plan funktionieren würde. Aber wie man sieht, hat es dann ja doch geklappt. Nur was mich jetzt wirklich erstaunt, ist, dass es ausgerechnet Fiona... Na ja, aber so unlogisch ist es nun auch wieder nicht. Sie war überall dort gewesen, wo hinterher irgendwelche Sachen verschwunden waren.« Fest richtete Penelope den Blick durch ihre dicken Brillengläser auf Amelia. »Und weiß man schon, warum sie das getan hat?«
Amelia hatte keine Ahnung, wie sie diese beiden vorwitzigen Mädchen nun wieder in ihre Schranken verweisen sollte. Sie war sich noch nicht einmal sicher, ob dies überhaupt möglich war. Nichtsdestotrotz atmete sie einmal tief durch und entgegnete mit energischer Stimme: »Also, ehe wir hier irgendwelche Fragen klären, habe ich erst einmal eine Nachricht von eurer Mutter. Und die lautet, dass ihr euch unverzüglich wieder in eure Betten verziehen sollt.«
Beide Mädchen starrten sie an, als ob sie plötzlich verrückt geworden wäre.
»Was?«, hauchte Portia. »Während hier gerade das Verbrechen des Jahrhunderts -«
»Du erwartest jetzt doch wohl nicht ernsthaft von uns, dass wir nun lammfromm einfach wieder die Augen zumachen und weiterschlafen?«
Abermals tat Amelia einen tiefen Atemzug, obgleich sie bereits genau wusste, dass ihr das auch nicht viel nützen würde in ihrem Versuch, die beiden Mädchen wieder zur Raison zu bringen. »Nein, aber -«
Dann verstummte sie mit einem Mal, hob den Kopf und lauschte.
Auch Portia und Penelope spitzten die Ohren. Nur einen kurzen Moment später hörten sie das Geräusch erneut - einen gedämpften Schrei. Alle drei stürzten zum Fenster.
»Kannst du irgendetwas sehen …?«, fragte
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