Küsse im Morgenlicht
dass es ihr gefiel, wenn seine Hand dort ruhte. Sie mochte das Gefühl seiner Berührung, das Gewicht seiner Hand, das Aufeinandertreffen von Haut auf Haut.
Und diese Erkenntnis ließ sie verstummen. Die ganze Fahrt nach Hause über war sie vollkommen in Gedanken versunken.
5
Um Amelia auch wirklich jenen Pfad hinabzuführen, den er mit ihr gerne gemeinsam beschreiten wollte, musste er die viel beschworenen Zügel nicht nur selbst in der Hand halten - sondern er musste diese Zügel auch benutzen. Er musste Amelia antreiben und sie ablenken, sodass sie gar nicht erst die Zeit und die Gelegenheit fand, ihm die Kontrolle wieder zu entreißen.
Nachdem er diesen Vorsatz erst einmal fest in seinem Bewusstsein verankert hatte, begleitete Luc seine Schwestern, Fiona und natürlich auch Amelia zu der Ballonfahrt. Und durch die eine oder andere, geschickt in den Ausflug eingefügte verstohlene Liebkosung schaffte er es sogar, dass Amelia die ganze Zeit über wie auf glühenden Kohlen saß und stets überlegte, was er wohl als Nächstes anstellen würde. Ihre gesamte Aufmerksamkeit war also allein auf Luc gerichtet. Die anderen Gentlemen, die unterdessen ebenfalls - jedoch vergeblich - um ein kleines Lächeln von ihr buhlten, nahm sie gar nicht wahr.
Am folgenden Tage war Luc sich dann zum ersten Mal wirklich sicher, dass er Amelia fest im Griff hatte, dass er es schaffen würde, sie so lange von ihrem eigenen Ziel - einer möglichst baldigen Hochzeit - abzulenken und seine plötzliche Brautwerbung um sie derart in die Länge zu ziehen, bis die ehrwürdige Londoner Gesellschaft beim Anblick von Amelia Cynster und Luc Ashford schließlich nur noch gähnte, nickte und ihnen müde ihren Segen erteilte. Wagemutig und zuversichtlich willigte er also ein, seine Mutter und seine Schwestern, sowie Fiona, Amelias Mutter und selbstverständlich Amelia zu den Hartingtons zu begleiten, um dort auf dem weitläufigen Anwesen von Hartington House ein al fresco , ein kleines Mittagessen, im Freien zu genießen.
Nachdem er kurz überschlagen hatte, mit wie vielen weiblichen Wesen im Schlepptau er denn nun zu diesem kleinen Ausflug aufbrechen würde, schickte Luc noch rasch eine Nachricht an Reggie und bat ihn, sich ihnen doch anzuschließen. Reggie traf genau in dem Moment in der Mount Street ein, als die Damen - allesamt, jung und alt, fröhlich schnatternd - die Vordertreppe von Ashford House hinabgeschritten kamen. Die Pferde waren bereits angespannt, und am Bordstein standen der Landauer der Cynsters und Lucs Karriole zur Abfahrt bereit.
Luc folgte seinen Schützlingen die Treppe hinab und blickte mit einem verschwörerischen Grinsen zu Amelias altem Freund aus Kindheitstagen hinüber. Dieser konnte im Übrigen mindestens ebenso gut rechnen wie Luc …
Gelassen schlenderte Reggie auf Luc zu und blickte ihm fest in die Augen: »Dafür schuldest du mir aber etwas.« Vor Minerva und Louise, die beide enge Freundinnen seiner Mutter waren, hatte er sich bereits verbeugt. Nun wandte er sich mit leicht resigniertem, doch höflichem Nicken zu den Mädchen um. Der Lakai half den Damen auf den hohen Wagen hinauf; unterdessen wandte Reggie sich zu Amelia um, die neben ihm wartete.
Auch sie begriff erst jetzt, welchen Hintergedanken Luc mit seiner spontanen Einladung an Reggie verfolgt hatte.
Reggie sah sie scharf an. »Na, dann viel Spaß noch. Aber überleg es dir in Zukunft besser zweimal, ehe du auf irgendeinen von Lucs spontanen Vorschlägen eingehst.«
Amelia grinste und drückte Reggie kurz die Hand, schaute ihm nach, während er in den Landauer kletterte und damit neben Louise den letzten Platz einnahm, der in dem Gefährt noch frei war. Luc wies den Kutscher an, wohin dieser fahren sollte. Dann, als der Landauer davonrumpelte, ging er scheinbar vollkommen arglos zu Amelia hinüber.
Sofort fuhr auch seine Karriole vor. Mit galanter Geste half Luc Amelia beim Einsteigen. Nachdem sie auf der Sitzbank ein kleines Stück zur Seite gerückt war, folgte Luc ihr, nahm die Zügel auf und nickte seinem Pferdeknecht zu, der daraufhin das Zaumzeug der beiden nahezu identischen Grauschimmel losließ. Augenblicklich warfen sie nervös die Köpfe hoch, doch Luc schaffte es, die temperamentvollen Tiere wieder zu beruhigen. Eine lockere Handbewegung und ein sanftes Schnalzen mit den Zügeln genügten, um sie antraben und brav hinter dem Landauer herlaufen zu lassen.
Amelia musste unwillkürlich lächeln. »Der arme Reggie.«
»Ach, der wird es
Weitere Kostenlose Bücher