Kuesse sich, wer kann
Krankenhaus bringen. Dort müssten wir erklären, warum sein kleiner Zeh fehlt.«
»Ja, und auch, woher der Dauerständer kommt. Für den Zeh würde ich die Verantwortung übernehmen, das macht mir nichts, aber der Ständer ist nicht meine Schuld.«
Auf dem Sofatisch im Wohnzimmer lag ein Handy. Ich wählte den Notruf, nannte einen falschen Namen, meldete eine Schießerei und gab die Adresse durch.
»Oh, guck mal«, sagte Lula. »Mister Big schlägt die Äuglein auf.«
Brown blinzelte Lula an. »Was ist passiert?«
»Sie sind ohnmächtig geworden.«
»Mein Fuß tut weh.«
»Sie müssen sich den Zeh beim Hinfallen gestoßen haben«, sagte Lula. »Man soll ja auch nicht mit nackten Füßen herumlaufen.«
»Jetzt fällt es mir wieder ein«, sagte er. »Ich habe mir den Zeh nicht gestoßen, Sie haben auf mich geschossen.«
Lula stemmte die Fäuste in die Hüften. »Sie haben gesagt, ich sei fett. Mich juckt es schon wieder in den Fingern!«
Plötzlich schnellte Brown hoch und warf sich auf Lula. »Grrrr!«
Ich erwischte sie gerade noch hinten am Shirt und zerrte sie fort, Richtung Tür. »Hau ab! Lauf weg!«
Lula glitt an mir vorbei. »Der Mann hat Zombieaugen.«
Nach dem ersten spontanen Sprung, trotz Wunde am Fuß und Schwellung im Schritt, vermochte Brown doch nicht so schnell zu laufen wie gedacht. Lula und ich rannten die Treppe hinunter, flitzten über den Parkplatz, stiegen ins Auto und rasten davon.
Lula keuchte schwer. »Glaubst du, dass er mich bei der Polizei verrät?«
»Nein. Brown will mit der Polizei nichts zu tun haben. Bis die hier ist, hat er sich sowieso aus dem Staub gemacht.« Zum Glück für Lula, dachte ich nur und sah mir meinen Pickel im Rückspiegel an, Pech für Vinnie.
»Es passiert noch ein Unfall, wenn du dir ständig den Pickel anguckst.«
»Jetzt, wo ich weiß, dass ich einen habe, muss ich einfach immer dran denken.«
»Wenigstens hast du keinen Vampir-Knutschfleck am Hals. Ich habe heute Abend ein Date mit einem wahren Liebesbolzen. Könnte Mister Wonderful sein.«
»Bind dir doch ein Halstuch um.«
»Und wenn der Liebesbolzen mich auszieht?«
»Du kannst den Fleck ja auch mit Buntstiften übermalen, dann sieht er wie ein verschmiertes Tattoo aus.«
8
Von Merlin Browns Wohnung zurück zum Kautionsbüro musste ich über die Stark Street fahren, am Schrottplatz vorbei, durch die Kampfzone. Dieses Gebiet ist eine Mischung aus graffitibesprühten Backsteinbauten, müllübersäten leeren Grundstücken, dreigeschossigen Wohnheimen und obskuren Geschäften, die sich hinter zugenagelten Ladenfronten und in finsteren Gassen verbergen. Die meisten Bewohner hier sind zugedröhnte Penner, Nutten auf Crack, Drogenhändler, Gangmitglieder, gemeingefährliche Irre. Wenn ich in diesem Abschnitt der Stark Street nach einem NVG ler suche, bitte ich gewöhnlich Ranger um Unterstützung.
Ranger hat früher als Kautionsagent bei Vinnie gearbeitet, so haben wir uns kennengelernt. Heute besitzt er ein eigenes Security-Unternehmen, gelegentlich hilft er mir bei der Festnahme von Schwerverbrechern aus. Er ist mein Lehrer, mein Freund und mein einstiger Lover. An ihn wende ich mich, wenn ich professionelle Hilfe benötige. Ich bin dafür, dass Frauen sich am Arbeitsplatz behaupten, aber ich habe keine Lust, so schnell den Löffel abzugeben. Ranger ist ein besserer Kopfgeldjäger, als ich jemals zu hoffen wage. Und wenn ich ehrlich sein soll, wende ich mich manchmal auch nur deswegen an ihn, weil ich gerne mit ihm zusammen bin.
»Fährt du wieder ins Büro?«, fragte Lula.
»Ja. Mich zurückmelden und dann ab nach Hause.«
»Ich habe nämlich was vor«, sagte Lula. »Ich will zur Shopping Mall und mir eine Federboa kaufen, die zu dem Glitzer-Outfit passen soll, das ich heute Abend trage. Eine Federboa würde mehr hermachen als ein Halstuch. Ich brauche sie beim Ausziehen nicht abzulegen, ich kann sie in mein Verführungsprogramm einarbeiten, und der Hals mit dem Knutschfleck wäre die ganze Zeit bedeckt.«
»Hast du ein richtiges Verführungsprogramm?«
»Ja, du darfst nicht vergessen, ich war mal in dem Gewerbe tätig und hab immer noch die Tricks drauf.«
Lulas Tricks wollte ich mir lieber nicht vorstellen. Einerseits wäre das ein Info-Overkill, andererseits fühlte ich mich auf dem Gebiet sowieso völlig inkompetent. Ich war ja schon zufrieden, wenn ich heil aus der Unterhose rauskam, ohne mich mit dem Fuß zu verheddern und hinzufallen.
Ich folgte der Querstraße zur Hamilton
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