Kuessen al dente - Roman
verhieß.
»Halt mich da raus, Dot«, sagte Hal. »Ich kann für mich selbst sprechen.«
»Dorothy, haben Sie diese tolle Tasche zufällig in Florenz gekauft?« Vanessa deutete auf die Kelly-Imitation, die über Dorothys Stuhllehne hing. »Ich bin nämlich auf der Suche nach einem Geschenk für meine Mutter, und diese Tasche würde ihr bestimmt wahnsinnig gut gefallen.«
»Was? Die? Ja. In einer ganz schicken Boutique in der Via di San Niccolo«, sprudelte Dorothy hervor. »Normalerweise gehe ich nicht gerne shoppen, aber ihr Italiener habt einfach ein Händchen für Ledersachen. Die Tasche hat sogar ein kleines Fach für mein Handy«, erklärte sie stolz und klappte die kleine Seitentasche auf. »Sehr praktisch.«
Hal griff nach Georgias Hand. »Kümmere dich nicht um deine Mutter, George. Du weißt ja, wie sie manchmal ist.«
»Und, wie bin ich, Hal?«, fragte Dorothy.
»Penetrant?«, schlug Georgia vor. »Herrisch, aber dennoch nur an dir selbst interessiert?«
Dorothy machte ein Gesicht, als ob ein Straßendieb auf einer Vespa sich gerade ihre ach so praktische neue Handtasche geschnappt hätte und damit abgedüst wäre. »Das ist gemein, Georgia. Bin ich jetzt nicht hier und helfe dir, die Trümmer deines zerstörten Lebens aufzusammeln?«
Vanessa hüstelte. »Sagen Sie, Dorothy«, fuhr sie im Plauderton fort, »die Straße, in der Sie diese Tasche gefunden haben, liegt die im Oltrarno?«
»Danke, Vanessa, aber ich komme schon zurecht.« Georgia legte ihre Gabel auf den Teller und faltete die Hände vor sich auf dem Tisch. »Also, mal sehen, Mom. Ja, ich bin von meinem Koks schnupfenden Ex sitzengelassen worden. Ja, mein Boss hat mich gefeuert, und ja, man hat mich in der bekanntesten Tageszeitung der Stadt gedemütigt.«
»Bekanntesten?«, schaltete Hal sich ein. »Das stimmt aber nicht. Ich glaube, die steht an dritter Stelle. Höchstens.«
»Na ja, egal.« Georgia trank einen Schluck Dolcetto d’Alba. »Jedenfalls saß ich plötzlich mit einer Wohnung da, die ich mir kaum leisten konnte, und das in einer Stadt, wo mich niemand mehr in seine Küche gelassen hätte und ich mich praktisch nirgendwo mehr sehen lassen konnte. Und trotzdem«, sie nahm noch einen Schluck aus ihrem beinahe leeren Weinglas, »und trotzdem, hier bin ich nun, in San Casciano, wo ich nicht nur bei der Eröffnung eines der erfolgreichsten Restaurants in der Toskana mitgeholfen habe, sondern wo mir auch ein höchst attraktiver Job angeboten wurde, und zwar von einem Weinkenner, mit dem ich ganz außerordentlich geilen Sex hatte.« Kein Grund anzumerken, dass besagter Liebhaber nicht mehr mit ihr sprach — geschweige denn noch einmal mit ihr ins Bett steigen würde.
»Apropos Wein, möchte noch jemand ein Glas?« Vanessa hielt fragend die Flasche hoch.
»Lass mich das bitte zu Ende bringen, Vanessa. Und«, Georgia musterte ihr Glas, »ja, ich nehme noch ein Glas.« Damit wandte sie sich wieder an Dorothy. »Und, ich habe sein Angebot abgelehnt. Ich habe Nein gesagt. Ich gehe nämlich zurück nach New York, wo ich vorhabe, mein eigenes Restaurant zu eröffnen, weil genau das mein Wunsch ist.« Sie lehnte sich zurück. »So, wie ihr seht, ist mein Leben ganz und gar nicht in die Brüche gegangen. Auch ohne einen Job oder einen Verlobten, zu dem ich zurückkehren kann, stehe ich nicht vor dem Nichts. Ich habe Pläne, Mom, große Pläne.«
Dorothy hatte es offenbar die Sprache verschlagen. Hal trommelte mit den Fingerspitzen auf die Tischkante, und Vanessa starrte mit einer solchen Intensität den Hinterkopf des Kellners an, dass sie ohne weiteres zwei augapfelgroße Löcher in seinen Schädel hätte bohren können.
»Donnerwetter, Georgia! Dein eigenes Restaurant!« Es
war Hal, der als Erster die Sprache wiederfand. »Großartig. Hm, hört sich gut an. Ich bin sicher, dass es das beste Restaurant in ganz New York wird.«
»Entschuldigt mich kurz«, sagte Dorothy, aschfahl im Gesicht.
»Komm, Mom, rauch doch einfach hier am Tisch. Das stört doch niemand.«
Dorothy schüttelte den Kopf.
Vanessas telepathischer Trick zeigte Wirkung, denn der Ober erschien mit den Espressos. Seine Anwesenheit durchbrach die angespannte Atmosphäre gerade so viel, dass sich ein winziger Spalt für eine Unterhaltung öffnete.
»Ich hatte ja keine Ahnung von Glenns Kokainsucht, Georgia. Jedenfalls nicht, bis du mir am Telefon erzählt hast, dass du, dass er … dass ihr beide Schluss gemacht habt«, verteidigte sich Dorothy. »Hätte ich das
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