Kuessen al dente - Roman
Georgia, es ist nicht anders. Es ist eine miese Bude. Aber ich verdiene meine Brötchen.«
»Ich weiß, wie das ist.« Seltsamerweise verspürte Georgia kein bisschen Schadenfreude, die ihr eigentlich zugestanden hätte. Im Gegensatz zu Marco, den man hätte teeren und federn müssen, war Bernard ein anständiger Mensch und gut in seinem Job. Er hatte etwas Besseres verdient. »Vergiss nicht, du sprichst mit der Frau, die in dem zweit-beliebtesten Restaurant am Rockefeller Center arbeitet.«
»Und was hat besagte Frau hierher verschlagen? Ich weiß, dass du nicht hier in der Nähe wohnst.«
»Ich bin auf dem Weg in den dritten Stock, und mir bleiben noch genau …«, sie schaute auf ihre Uhr, »dreizehn Minuten, bis die hier zumachen. Ich muss ein paar sehr wichtige Bücher finden. Kommst du mit?« Hätte er ihr erzählt, er arbeite für David Chang oder Scott Connant oder Daniel Humm, dann hätte sie ihn nicht gefragt. Aber er führte an der Upper West Side ein ganz normales »Restaurant um die Ecke« mit unspektakulärer Küche. Und er besaß ein unbezahlbares Wissen über die internen Abläufe in vielen der New Yorker Toprestaurants. Deshalb hatte sie ihn gefragt.
»Warum nicht?«, antwortete er. »Ich habe morgen nichts Wichtiges zu tun. Ja, ich komme gern mit.«
Eine Stunde später hatten Georgia und Bernard es sich mit einem Krug Budweiser in einer roten Kunstledersitzecke im F&A bequem gemacht, einer Kneipe ganz in der Nähe des Buchladens. Georgia schenkte Bernard nach.
»Okay, nur damit ich das auch richtig verstanden habe«, fasste Bernard zusammen. »Du hast genau fünf Tage Zeit, um
einen kompletten Businessplan für deinen Boss zu erstellen, der in Bari lebt und der eventuell in dein zukünftiges Restaurant investieren will, auch wenn das bedeutet, dass du The Tuscan Oven verlässt?«
»Richtig.«
»Und du hast mit dem Plan noch nicht angefangen?«
»Nicht offiziell zumindest. Gut, ich habe mir schon ein paar Notizen gemacht. Ich hab ein paar Vorstellungen und mir schon einige Objekte angeschaut, die infrage kommen könnten. Grundlagenforschung betrieben sozusagen, aber noch keine Zahlen verdreht.« Sie rülpste leise. »Verzeihung.«
»Hast du schon jemals einen Businessplan gelesen?«
»Nein.«
»Und das macht dir keine Sorgen?«
»Natürlich macht mir das Sorgen, regelrecht Kopfzerbrechen. Deshalb habe ich ja kiloweise Bücher zum Thema Businessplan gekauft.« Sie stellte die Barnes-&-Noble-Tasche auf den Tisch. Zusätzlich zu dem Dummies -Buch hatte sie noch drei andere Ratgeber erstanden. »Das sollte reichen.«
»Ich zerstöre ja nur ungern deine Illusionen, Georgia, aber…«
»Ich bitte dich. Etwas Schlimmeres als ›Du bist gefeuert‹ kannst du mir gar nicht sagen, mein lieber Bernard.«
»Wie wäre es mit ›Du bist verrückt‹? Es ist absolut unmöglich, in nur fünf Tagen einen umfassenden Businessplan aus dem Ärmel zu schütteln, einen richtig professionellen mit echten Zahlen.«
»Na ja, versuchen muss ich es zumindest.« Georgia stand auf. »Willst du Pommes? Ich bestell mir welche.«
»Nee.« Bernard schüttelte den Kopf und schlug eines der Bücher auf. »Hab mein Fett heute schon abgekriegt, sogar noch vor unserer Begegnung«, murmelte er, ohne den Blick
von den Buchseiten zu heben. »So viel zu der Bude, in der ich arbeite.«
Georgia lachte. »Das hältst du mir jetzt aber nicht bis an mein Lebensende vor, oder?«
»Wahrscheinlich nicht.«
Vor der Musikbox stand ein Typ Mitte zwanzig in einem White-Stripes-T-Shirt über einem verlotterten langärmligen T-Shirt und studierte die Musikauswahl. Ein paar ähnlich gekleidete Exemplare mit Bierflaschen in der Hand standen um den Billardtisch herum und sahen zu, wie ein zierliches Mädchen mit baumelnden Ohrringen mit einem gezielten Stoß die schwarze Kugel versenkte. Georgia bahnte sich ihren Weg zur Bar, kletterte auf einen freien Hocker, bestellte bei dem Typ hinter der Bar eine Portion Pommes frites, woraufhin der sich umdrehte und ihre Bestellung lauthals in die Ein-Mann-Küche brüllte. Draußen hatte es angefangen zu schneien. Als die ersten Takte von »Let it Bleed« aus den Lautsprechern tönten, fing der Typ an der Musikbox an, in bester Keith-Richards-Manier seine Luftgitarre zu bearbeiten. Angeregt vom Bier und ihren Espressos, summte Georgia die Melodie mit. Jetzt stolzierte der Bursche mit gekonntem Hüftschwung um den Billardtisch und schmetterte »Well, we all need someone we can lean on«, die
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