Kuessen al dente - Roman
bitte ein Pellegrino?«
Obwohl sie noch nie einen Businessplan in der Hand gehalten, geschweige denn einen verfasst hatte, war sie überzeugt, dass er unzählige Tabellenkalkulationen mit endlosen Zahlenreihen beinhalten musste, die irgendwie ein potenziell rentables Geschäft präsentierten. Auf kulinarischem Gebiet mochte sie ja ein Ass sein, doch wenn es um Computerfertigkeiten ging, war sie eine absolute Null. Sie wusste nicht einmal, ob auf ihrem Mac ein Excelprogramm installiert war.
»Und einen doppelten Espresso, John«, rief sie ihm nach. »Nein, warte, mach mir einen dreifachen.« Ihre Tage mit grünem Tee waren Geschichte.
21
A ls Georgia die drei Deppen mit Bommelmütze aus einem haltenden Taxi steigen sah, rutschte sie schnell auf den Rücksitz, ehe der Fahrer noch Gelegenheit hatte, das FREI-Schild anzuschalten.
»Barnes und Noble, Sechsundsechzigste Ecke Columbus«, sagte sie.
Wenn sie in fünf Tagen einen Businessplan zu Papier bringen wollte, brauchte sie erstklassige Hilfe. Wie ihr Vater immer predigte: »Wenn du nicht sicher bist, mach eine Liste. Und wenn dich das auch nicht weiterbringt, kauf dir ein Buch. Besser noch«, setzte er mit erhobenem Zeigefinger hinzu, »leih es dir in der Bücherei aus.« Doch selbst ihr sparsamer Vater würde eingestehen müssen, dass die Notwendigkeit, in kürzester Zeit einen Businessplan aus dem Hut zaubern zu müssen, komplett mit Gewinn-und-Verlust-Rechnung und Cashflow-Analyse – Ausdrücke, die sie gerade erst bei einem Ausflug in die Google-Welt des Businessplans gelernt hatte –, den Erwerb eines Buches rechtfertigte.
Das Konzept an sich war für Georgia kein Problem. Sie hatte eine Unmenge von Konzepten im Kopf, gute und schlechte, manche so schlecht, dass sie schon wieder gut waren. Gemeinsam mit Clem hatte sie so manchen Abend damit zugebracht, das x-te In-Lokal durch den Kakao zu ziehen — eines von denen, das erst in den Himmel gelobt wurde, ein paar Fashion-Week-Partys ausrichtete, dann nur noch von der spießigen Landbevölkerung an den Wochenenden besucht
wurde und alsbald in Vergessenheit geriet. Aber so ein Lokal hatte sie für sich natürlich nicht im Sinn.
Ihr Konzept, sofern man es so nennen konnte, sah die Art von Restaurant vor, in dem sie schon immer einmal hatte essen wollen. Die Idee war trügerisch einfach: ein geschmackvolles, dabei aber schlichtes Lokal mit rund achtzig Plätzen, einer kleinen, von der Jahreszeit und dem Marktangebot bestimmten Speisekarte, überwiegend amerikanisch ausgerichtet, jedoch mediterran beeinflusst, mit täglichen Spezialitäten, die etwas kreativer ausfallen durften, und Wahnsinnsdesserts, mit einem freundlichen, aufmerksamen Service, einer gut sortierten und preislich angepassten Weinkarte und einer leicht beschwingten Wohlfühlatmosphäre. Das hörte sich zwar an wie die Millionen anderer Restaurants, die auf- und wieder zumachten, und die vielen, die sich gerade so über Wasser hielten. Doch der Erfolg lag in der Ausführung und den Details, und auf diesem Gebiet – da war Georgia ganz zuversichtlich – konnte sie punkten.
Die eigentliche Herausforderung bestand darin, Luca dieses konzeptlose Konzept zu verkaufen. Deshalb jagte sie jetzt unangeschnallt in einem gelben Taxi die Sixth Avenue entlang, das von einem Fahrer mit Turban gesteuert wurde, der in das kleine Mikrofon seiner Handy-Freisprechanlage brüllte, gelegentlich beide Hände in die Luft warf und dabei das Lenken seinen Göttern überließ. Die für den Straßenverkehr zuständigen Gottheiten hatten offenbar ein Einsehen mit Georgia, und so erreichte sie den Buchladen nicht nur lebendig, sondern auch in genau neun Minuten, was einen neuen Rekord bedeutete. Der Buchladen hatte bis Mitternacht geöffnet, und es herrschte Hochbetrieb; entweder waren die New Yorker überzeugt, dass Bücher der absolute Renner unter den diesjährigen Weihnachtsgeschenken waren, oder es
gab außer ihr noch viele andere Menschen, die an diesem Abend sehr viel Hilfe benötigten.
»Entschuldigen Sie«, sagte Georgia zu dem mageren Kerlchen mit der fahlen Gesichtsfarbe und dem ausgefransten Afro-Mopp hinter der Informationstheke. In den Zeiten, bevor man sich Filme im Internet herunterladen konnte, hätte er gut in einen Independent-Videoladen gepasst. »Wo finde ich die Dummies-Buchreihe?«
Er starrte sie verständnislos an.
»Sie wissen schon«, sagte Georgia ungeduldig, »diese großen gelben Ratgeber. Die uns Dummies erklären, wie man ein
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