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Kuessen al dente - Roman

Kuessen al dente - Roman

Titel: Kuessen al dente - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nelson
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zeigte keine Spur von Make-up. Sie steckte in einem roten Kapuzensweatshirt und roten Schlabberhosen und war die einzige Rothaarige, die Georgia kannte, die fast ausschließlich rote Klamotten trug.
    Georgia schob sich an dem Mops vorbei durch die Wohnungstür und stieß einen Pfiff aus, als sie die bordeauxroten Wände mit den cremefarbenen Stuckleisten und den riesigen Stuckmedaillons an der Decke sah. »Wow, ein recht gediegenes Domizil für einen fetten Mops.« Sie ließ sich auf einer mit Zebrastoff bezogenen Ottomane nieder und zappelte ungeduldig herum. »Und, was steht auf dem Plan?«
    »Bloody Marys bei Lenny? Mimosas im Mars? Oder soll’s lieber ein Spaziergang mit meinem neuen Zögling durch den Park sein?« Clem nickte Richtung Mops, der sie von seinem mit Samtkissen gepolsterten Hundekorb aus neugierig beäugte. »Obwohl …«, sie deutete auf Georgias Krauskopf, »ich annehme, dass es immer noch regnet.«
    »Was immer du willst. Ist mir ganz egal. Mein Bräutigam ist ein Kokser. Und damit nicht genug, er gibt es nicht mal zu. Wie kann man nur der Frau, die man heiraten will, so schamlos ins Gesicht lügen?«
    »Ich wusste doch, dass mit ihm gestern Abend was nicht stimmte. Na, wenigstens hast du es noch vor der Hochzeit rausgefunden.«
    »Willst du damit sagen, ich sollte ihn nicht heiraten? Wegen dem Koks?«
    »Ich werde dir ganz bestimmt nicht sagen, was du tun oder lassen sollst, meine Liebe. Aber mal abgesehen von seiner Vorliebe für weißes Pulver, schien es in letzter Zeit auch nicht gerade prickelnd zwischen euch zu laufen. Seit er dir einen
Antrag gemacht hat, kommst du mir irgendwie … wie soll ich sagen … bedrückt vor.«
    Georgia stand auf und ging ans Fenster. »Glenn ist ein toller Mann«, sagte sie nachdenklich. »Ja, wirklich. Er ist klug, erfolgreich, witzig – er hat alles, was eine Frau sich nur wünschen kann. In letzter Zeit hat er mit seinen Qualitäten nur etwas hinter dem Berg gehalten.«
    »Aber hat er auch alles, was dieser Frau da gefällt?« Clem zeigte auf Georgia.
    »Ja. Das heißt, ich glaube es. Ich weiß nicht.« Abwesend betrachtete Georgia die Baumwipfel im Central Park, die nach den kargen Wintermonaten wieder ein sattes Grün trugen. Es hatte aufgehört zu regnen, und der Himmel klarte langsam auf. »Vielleicht leide ich auch an einer ausgeprägten Form von Vor-Hochzeitsbammel.«
    »Möglich«, meinte Clem, nicht sehr überzeugt.
    »Wo ist denn hier die Küche?«, wechselte Georgia das Thema. »Ich bin am Verhungern.«
    Clem zeigte ihr die Küche, die größer war als Georgias gesamte Wohnung. Georgia riss sogleich sämtliche Schränke auf und machte Inventur. Manche Menschen rauchen, wenn sie unglücklich sind, andere machen Yoga, betrinken sich, laufen in der Wohnung auf und ab wie ein Tiger im Käfig, wieder andere zetteln Streit an oder zählen bis hundert. Georgia kochte.
    Damals in Massachusetts, als kleines Mädchen, hatte sie ihre Tage am liebsten in der Küche ihrer Großmutter zugebracht und mit großen Augen dabei zugesehen, wie Grammy den Teig für ihre dunkelbraunen Pumpernickel knetete, Pastinaken und Steckrüben für ihren weltberühmten Rinderbraten kleinschnippelte oder für ihre köstliche Thai-Suppe Shrimps aus der Schale pellte, wenn sie gerade in der Stimmung
für exotische Gerichte war. Ihre Großmutter, die sich selbst gerne als gestandene Landfrau bezeichnete und mit ihrer kräftigen Gestalt und dem grauen Dutt im Nacken auch genau so aussah, hantierte in ihrer winzigen Küche dennoch mit erstaunlicher Grazie und Flinkheit und zauberte auf ihrem uralten Tappan-Herd die herrlichsten Gerichte, wobei sie unentwegt Schlager aus den vierziger Jahren trällerte. Diese Stunden mit ihrer Großmutter waren für Georgia die schönste Zeit ihres Lebens. Es war jetzt beinahe ein Jahr her, seit sie gestorben war, aber es verging kein Tag, an dem Georgia sie nicht vermisste.
    Sie nahm ein halbes Dutzend Eier aus dem ultramodernen Kühlschrank, eine Packung Schinkenspeck und ein Stück Emmentaler. Im Gewürzregal fand sie einen lebenslangen Vorrat einer Allzweck-Gewürzmischung, drei verschiedene Pfeffersorten und Meersalz aus der Bretagne. Die Küchen der Menschen waren so verblüffend wie ihre Leben. Während sie die Eier verquirlte, dachte sie über Clems Worte nach. Eine Heirat war tatsächlich ein großer Schritt. Hatte sie Glenns Antrag angenommen, weil sie ihn heiraten wollte, oder weil sie auf das aus war, was zumeist mit einer Heirat

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