Kuessen al dente - Roman
das Bild zwischen die Seiten einer alten Ausgabe des New Yorker . »Die Zeitschrift gibt’s gratis dazu«, sagte er. »Für Sie.
Georgia verstaute das Bild in ihrer Tasche und blieb vor dem Schaufenster einer Boutique stehen, wo sie schon öfter witzige und zudem preiswerte Klamotten erstanden hatte. Lo behauptete, dass die Shopping-Therapie das Allheilmittel für beinahe jedes Leid sei, und Georgia war versucht, diese Theorie einem Test zu unterziehen. Wenn Lo ihren Vormittag durchlebt hätte, gäbe es jetzt in der ganzen Stadt kaum noch eine schwarze Hose in Größe 4, denn Lo hatte ein Faible für schwarze Hosen, auch wenn sie glücklich war wie ein Vögelchen. Während Georgia noch überlegte, ob sie ihre gesamte Abfindung in Höhe von zwei Wochenlöhnen verprassen sollte, kamen zwei klapperdürre junge Frauen, die im Gehen mit fliegenden Fingern SMS in ihre Handys tippten, mit knallrosa Plastiktaschen über den Schultern aus der Boutique gestöckelt. Georgia tastete nach dem zusammengerollten Aquarell in ihrer Handtasche und ging weiter. Ein Schnäppchen pro Tag war genug.
Vor ihrer Wohnungstür angelte Georgia nach ihren Schlüsseln. Sallys Leine hing nicht über der Klinke, und sie befürchtete schon, dass der Hundesitter ihren Mittagsspaziergang vergessen hatte. »Ich bin schon da, Sals.«
»He, Sally, meine Süße«, rief sie in den Flur, warf ihren Schlüsselbund auf den Schreibtisch und ließ ihre Einkaufstaschen auf den Boden fallen. Sie nahm die Zeitschrift heraus,
legte sie auf den Schreibtisch, strich sie glatt und stellte die alte Harney-Teedose darauf, die als Bleistifthalter und Briefbeschwerer fungierte. Sally bellte, was sie nur tat, um jemandem, der bereits in der Wohnung war, die Ankunft eines anderen zu verkünden. Georgia zog ihren Trenchcoat aus und warf ihn über die Stuhllehne. Zu ihrer Überraschung lag schon eine Jacke auf dem Stuhl, ein marineblaues Fleece mit Reißverschluss. Glenns marineblaues Fleece. Ehe sie sich noch von dem Schock erholt hatte, kam er schon aus dem Schlafzimmer spaziert.
»Hi, Georgia.« Er ging auf sie zu, eine Sporttasche mit dem Logo von Smith, Standish & Lockton in der Hand und einem Stapel Bücher unter dem Arm. Sally bellte hinter ihm her.
»Glenn. Was machst du denn hier? Warum bist du nicht im Büro?« Sie starrte ihn an. Er sah gut aus. Müde zwar, aber gut. Die Schatten unter seinen Augen waren dunkler als sonst und ließen seine Augen noch blauer erscheinen. Er hatte ein dünnes weißes T-Shirt an mit dem Aufdruck seiner Alma Mater, sein Glückshemd.
»Ich hab beschlossen, heute blauzumachen. Ein mentaler Erholungstag sozusagen. Und ich, na ja, ich bin hier, um noch ein paar Sachen zu holen. Klamotten und was zum Lesen.« Er hielt die Bücher hoch. »Und ich dachte, wir könnten vielleicht reden.«
»Klar.« Georgia spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Damit war der »Wann?«-Part ihrer Trennung beantwortet. »Hast wohl gedacht, dafür könnte ein wenig Unterstützung nicht schaden, wie?« Sie deutete auf sein T-Shirt.
»Ach, das? Nein, das ist nur Zufall.« Er lachte nervös.
»Und, wie geht es dir?«
»Gut. Okay, schätze ich. Ich wohne bei Ray, arbeite viel. Immer das Gleiche.«
Sie nickte. »Also, was ist los, Glenn? Was machen wir jetzt?«
»Tja, das weiß ich eigentlich nicht so genau.« Er schaute auf seine Füße, blies die Wangen auf und atmete langsam aus.
»Geht das auch ein bisschen präziser?«
»Das hier fällt mir nicht leicht, Georgia.« Er legte die Tasche und die Bücher auf den Telefontisch. »Ich weiß, dass ich dich heiraten wollte. Ja, vor zwei Wochen wollte ich dich noch heiraten. Aber jetzt, keine Ahnung, ob es an dem Streit liegt, oder weil ich eine Weile weg war, oder die letzten Tage keine einzige Line geschnupft habe, oder an allem zusammen, jedenfalls bin ich mir nicht sicher, ob ich immer noch so denke.«
»Du weißt nicht, ob du mich heiraten willst?«
Er nickte, ohne sie dabei anzusehen. Schweigen machte sich breit.
»Warum?«, fragte sie nach einer Weile.
»Irgendwie fühlt es sich nicht richtig an, oder jedenfalls nicht so, wie es sollte. Irgendwas ist aus dem Ruder gelaufen. Ich gehe zu viel aus, arbeite zu viel, ziehe zu viele Lines, damit ich so viel arbeiten und ausgehen kann, und ich glaube, es ist wegen uns. Wegen unserer Hochzeit.«
»Mach mich nicht für dein Drogenproblem verantwortlich, Glenn.«
»Das meine ich damit auch nicht. Ich meine, irgendwas ist der Grund für mein, mein
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