Kuessen al dente - Roman
lassen oder es Ricky mitgeben, ganz wie du willst. Du hast das letzte Mal im Marco gekocht.«
Ganz gleich, wie gewappnet Georgia sich geglaubt hatte, auf die brutale Wirkung dieses Killersatzes war sie nicht vorbereitet. Sie schluckte hart. Für einen Moment fühlte sie sich wie die Heldin in einem Film Noir, die soeben erfahren hatte, dass ihr Mann ermordet worden war – und dass er schon seit Jahren eine Affäre mit seiner Sekretärin hatte. In der Filmversion
würde sie jetzt theatralisch an die Brust des Privatdetektivs sinken, der ihr Riechsalz oder etwas Starkes und wahrscheinlich Braunes zu trinken anbieten würde. Stattdessen kehrte der Ober an den Tisch zurück und hielt ihr eine Champagnerflasche zur Begutachtung hin.
»Danke«, sagte sie und stürzte das Glas hinunter, kaum dass der Kellner es ihr eingeschenkt hatte.
»Was für eine Riesenscheiße!« Bernard stieß frustriert die Luft aus. »Hier sitze ich und schicke eine verdammt gute Küchenchefin zum Teufel, eine Meisterin ihres Fachs, so talentiert wie Marco nie war und nie sein wird, und das alles wegen diesem Drecksack, der glaubt, die neunzehnjährige Tochter der einflussreichen Kritikerin, die gerade sein Restaurant bewertet, sei ein passender One-Night-Stand. Wahrscheinlich war er zu dem Zeitpunkt schon so durch den Wind, dass er nicht mal bemerkt hat, dass dieses Girlie gerade erst die Highschool abgeschlossen hat.« Er trank seine Bloody Mary aus und schenkte sich ein Glas Champagner ein. »Nein, streich das. Ich bin sicher, dass er genau wusste, wie alt sie ist. Aber jetzt will der elende Feigling das nicht zugeben, und jemand anderer muss die Suppe auslöffeln. ›Es werden Köpfe rollen‹, sagte er mir heute Morgen. ›Als Erstes fliegt diese Kochmamsell raus.‹ Was glaubt er eigentlich, wer er ist? Henry VIII.?«
»Oder Gargamel«, schlug Georgia vor. »Hat er wirklich Kochmamsell gesagt?«
Bernard war zu aufgebracht, um auf ihre Frage zu antworten. »Sein Laden ist ein sinkendes Schiff. Das Marco ist die Titanic, verdammt noch mal.« Er trank sein Glas leer und schenkte sich gleich wieder nach.
»Wow, Bernard. Man könnte meinen, man hätte dich Kochmamsell genannt.«
Ohne auf ihren Versuch, die Situation etwas aufzulockern, einzugehen, fuhr er mit seiner Schimpftirade fort. »Es ist sein Name, der über dieser gottverdammten Tür steht, also muss er auch für diese Misere geradestehen. Selbst wenn es kein Mensch sehen kann, so steht definitiv sein Name über dieser Tür. Kapiert er das denn nicht?«
Als der Kellner an ihren Tisch kam, hielt Bernard kurz inne, so dass er und Georgia ihre Bestellungen aufgeben konnten: pochierte Eier auf Toast und Croissants, zweimal. Kaum hatte der Kellner ihnen den Rücken gekehrt, schwadronierte er weiter.
Georgia schenkte ihm ein drittes Mal nach und steckte anschließend die Flasche verkehrt herum in den Eiskübel. Sie hatten noch keinen Bissen gegessen und schon eine Flasche Champagner geleert. Dabei war es noch nicht einmal elf Uhr.
»Und, hast du schon irgendwelche Pläne?« Nahtlos wechselte Bernard von seinem Zornausbruch zu seiner gewohnt geschäftigen Professionalität.
»Pläne? Nein, Pläne habe ich noch keine. Ich bin immer noch damit beschäftigt, meine Kündigung zu verdauen. Vorgestern dachte ich noch, ich überspringe ein paar Stufen auf meiner Karriereleiter und lande direkt in der Food Network Show, von der Marco pausenlos geredet hat. Nein, über meinen weiteren Lebensweg habe ich mir noch nicht den Kopf zerbrochen.«
Die Wahrheit war, dass sie sich ohne einen Plan recht verloren vorkam. Bis jetzt hatte sie immer eine Alternative in petto gehabt. Seufzend stach sie mit der Gabel eines der beiden pochierten Eier an und sah zu, wie sich das Eigelb auf ihren Teller ergoss. »Und falls du bezweifeln solltest, dass mein Leben ein totaler Trümmerhaufen ist, hab ich noch was
für dich: Vor ein paar Tagen hat mich mein Verlobter verlassen und kommt vielleicht nie mehr zurück. Wie du siehst, bin ich nicht nur arbeitslos, sondern wahrscheinlich auch entlobt. Irgendwie sieht es nicht gut aus für mich.«
»Du lieber Himmel, Georgia. Das tut mir echt leid.« Er schaute sich nach dem Kellner um, der abermals sofort auf wundersame Weise auftauchte. »Da helfen nur noch Austern. « Wie die meisten Leute aus der Gastronomie vertraute auch Bernard darauf, dass ein Teller Austern so ziemlich alles heilen kann.
»Sechs Malpeques und sechs …?« Er sah Georgia fragend
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