Kuessen al dente - Roman
kannst du dich ein bisschen restaurieren.«
Unwillkürlich schniefte Georgia. Sie ging ins Badezimmer und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, entschlossen, nicht loszuheulen. Der Zusammenbruch vom Abend zuvor musste erst einmal reichen. Sie putzte sich die Zähne, zog Jeans und ein langärmliges T-Shirt an, dann präsentierte sie sich ihren Freundinnen. Ihre Augen waren verquollen, aber trocken.
Wie versprochen, stellten die beiden ihr während der Taxifahrt ins Bamboo, wie Lo es nannte, nicht eine einzige Frage.
Erst nachdem sie sich bei der blasierten Rezeptionistin angemeldet hatten (»Warum sind diese Schnepfen in Friseursalons und Saunen immer so wahnsinnig arrogant?«, flüsterte Clem gut hörbar) und in ihren Bademänteln in der Lounge saßen und grünen Tee schlürften, platzte Lo heraus: »Ich halte es nicht mehr aus! Geht es dir gut? Können wir jetzt darüber reden?«
Georgia stellte ihre Tasse auf dem niedrigen Tisch mit der massiven Tropenholzplatte ab und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn es unbedingt sein muss.« Sie entdeckte eine Ganesha-Statue in einer Ecke und setzte sich ein wenig aufrechter hin. »Also schön. Als Erstes war ich im Balthazar frühstücken, aß Austern, trank Champagner und nahm meine Kündigung entgegen. Dann ging ich nach Hause, und Glenn war da.« Sie unterbrach sich kurz. »Und hat mir den Laufpass gegeben.« Sie streckte ihre ringlose Hand aus. »Seht ihr? Da funkelt nichts mehr.«
»Das ist nicht wahr!«, erboste sich Clem. »Dieses Arschloch. Er hat dich nach dieser Kritik sitzengelassen?«
»Er sagt, er hat sie nicht gelesen, und das glaub ich ihm auch. Und selbst wenn doch, ist es auch egal. Fakt ist, dass ich keine Ahnung habe, was ich tun soll.« Sie legte beide Hände um den Becher und ließ die Hitze in ihre Haut dringen. »Ich stehe ganz allein da. Meine Karriere kann ich vergessen. Und ich bin allein.« Dies war das erste Mal, dass sie es laut aussprach.
»Unsinn, du bist nicht allein«, erklärte Lo. »Du hast uns. Und Ricky. Und deine Familie. Und …«
»Ich weiß, dass ihr für mich da seid, und dafür bin ich euch auch unendlich dankbar. Aber meine Eltern? Bitte!« Clem hatte ihre Leute und ein paar Brüder unten in Kentucky, und selbst die arme, kleine, reiche Lo hatte ihre Schwester, ihren
Dad und den Knaben, mit dem sie sich gerade traf. Sie alle würden nie verstehen, wie es sich anfühlte, in einem Haushalt groß zu werden, wo man sich wie das fünfte Rad am Wagen vorkam.
»Weißt du, was wirklich beschissen ist? Mal ganz abgesehen davon, dass ich quasi nicht vermittelbar bin, es sei denn, ich gehe nach Boston?« Sie trank einen Schluck und rümpfte die Nase. »Igitt! Dieser Tee schmeckt abscheulich.«
»Ja, ungenießbar. Was ist das bloß für ein Gebräu?« Jetzt sagte Clem auch mal etwas.
»Es wird dir aber guttun, Clem.« Lo bedachte ihre Freundin mit einem fiesen Blick. »Erzähl weiter, George.«
»Das Allerschlimmste aber ist die Erkenntnis, dass das, was ich immer wollte und einmal hatte – eine Karriere, einen gut aussehenden, erfolgreichen Verlobten und die Aussicht auf eine Familie –, mich nicht glücklich gemacht hat. Schon bevor ich das mit dem Kokain herausfand, war ich nicht glücklich. Und wenn es mich nicht glücklich macht, knapp davor zu sein, alles zu kriegen, was ich mir vom Leben wünsche, was denn dann?«
»Du wirst einen anderen Job finden, George. Und einen neuen Typen«, sagte Lo.
»Oder deinen eigenen Laden aufmachen«, warf Clem ein.
»Ja, das weiß ich. Irgendwann. Aber wer sagt mir, dass ich dann glücklicher sein werde als mit Glenn und im Marco? Was ist, wenn das wahre Problem nicht Glenn oder das Marco sind, sondern ich selbst?« Georgia stand auf und ging zu dem in Blau, Orange und Rot glasierten Keramik-Ganesha. Sie strich mit der Hand über die im Laufe der Jahre gesprungene Glasur und verweilte an der Stelle, die schon ganz blank gerieben war.
»Moment mal. Nur weil du mit deinem koksenden Verlobten und deinem Job bei diesem idiotischen Boss nicht glücklich warst, heißt das noch lange nicht, dass du es nie wieder sein wirst. Glenn hat ein echtes Drogenproblem, George, was möglicherweise nicht der einzige Grund dafür war, dass er dich nicht glücklich gemacht hat, aber ganz sicher etwas damit zu tun hat«, stellte Clem fest.
»Sie hat Recht, George«, bekräftigte Lo. »Und der Job war ja auch nicht wirklich das Gelbe vom Ei. Gut, du warst Küchenchefin in einem In-Restaurant,
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