Kuessen al dente - Roman
in Rom, Bologna und Mailand abgeworben, und«, damit wandte sie sich an Georgia, »sogar aus New York City einfliegen lassen. Ich erwarte, dass wir alle zusammenarbeiten, um das zu erschaffen, was bald als die beste Trattoria in der ganzen Toskana gelten wird.« Sie entkorkte eine Flasche Pol Roger und schenkte allen am Tisch ein. Als die Reihe an Bruno kam, war die Flasche leer, und sie machte eine zweite auf.
»Ich weiß, es ist noch etwas früh für Champagner, aber heute Morgen wird gefeiert.«
Während alle an ihren Gläsern nippten, wunderte sich Georgia, wie jemand Claudia als übellaunig bezeichnen konnte. Wie jeder Restaurantbesitzer verlangte sie von ihren Leuten harte Arbeit und Hingabe, aber miese Laune konnte man ihr weiß Gott nicht nachsagen. Mit ihrem offenen Lächeln und den zwinkernden Augen erinnerte sie an eine schickere, coolere und weibliche Version vom Weihnachtsmann.
»Und jetzt«, fuhr Claudia fort, »möchte ich das meisterhafte Team vorstellen, das die Trattoria Dia erschaffen wird.«
Georgia senkte den Kopf ein wenig, konzentrierte sich darauf, ihre flatternden Magennerven zu beruhigen. Es ließ sich nicht vorhersagen, wie die Leute auf eine Amerikanerin als Chef reagierten, aber sie würde es bald herausfinden.
»Unser Chefkoch«, sagte Claudia, »braucht nicht vorgestellt zu werden. Mein früherer Souschef vom La Farfalla, Bruno Valchese, hat sich als überaus talentiert, ehrgeizig und …«
Georgia schoss das Blut in den Kopf. Ihr Gesicht, ihr Nacken und ihre Brust wurden glühend heiß und prickelten, als hätte sie sich die Haut mit einem in Alkohol getränkten Scheuerschwamm abgerubbelt. Bruno war Chefkoch? Hatte Claudia nicht gesagt, das sollte ihr Platz im Team sein? Sie schloss die Augen und versuchte sich genau an die E-Mail zu erinnern, die Claudia geschickt hatte. Sie hatte sie sicher ein Dutzend Mal durchgelesen und nie daran gezweifelt, dass Claudia sie als Küchenchefin vorgesehen hatte. Natürlich musste sie die Küchenchefin sein – welche Position sollte sie sonst bekleiden?
»… und direkt aus New York City, unser Souschef, Georgia
Gray, ein ehemaliger Lehrling von mir und eine unglaublich begabte Köchin.«
Und da hatte sie die Antwort. Souschef. Irgendwie gelang es Georgia, nicht in Tränen auszubrechen, nicht auf den Tisch zu kotzen und den fetten Schinken auf Brunos Pickel zu verschmieren. Sie erhob ihr Glas, deutete ein Nicken an und kniff dabei die Lippen aufeinander, um den Schrei zurückzuhalten, der in ihrer Kehle hing. Nachdem sie ihr Glas wieder abgestellt hatte, presste sie die Hände so fest zusammen, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden, während die Worte Sous, Chef und Georgia durch ihr Gehirn purzelten. Sie war Brunos verdammte Untergebene!
Claudia ging um den Tisch herum, stellte Tonio als Grillkoch vor und Vanessa als Saucier. Dann folgte Effie, Typ wandelnde Bohnenstange, mit schlechter Haut und einem mickrigen Studentenbärtchen, der als Gardemanger fungieren sollte, und Elena, das Mädchen, das neben Bruno saß, war die Geschäftsführerin. Der Rest der Crew würde erst kurz vor der Eröffnung zu ihnen stoßen. Dass diese kleine, zarte Person als Geschäftsführerin ein hochkarätiges Speiselokal und eine Küche leiten konnte, schien Georgia zweifelhaft, doch ein Verhältnis mit dem Chefkoch war da sicher hilfreich. Ihr selbstgefälliges Lächeln, ihre Körpersprache und die kaum verhohlenen Blicke, die die beiden tauschten, waren Beweis genug, dass Elena und Bruno mehr als nur eine Arbeitsbeziehung verband. Unwillkürlich sehnte Georgia sich nach Bernards rotem Klemmbrett und seiner unerträglichen Kompetenz zurück. Jedenfalls so lange, bis sie an den Mistkerl von Boss dachte, den sie mit in Kauf nehmen müsste.
Die Champagnerflasche stand unbeachtet auf der Anrichte hinter Vanessa, und Georgia war versucht, sich den verbliebenen Rest einzuschenken. Doch sie wollte ihre Karriere als
stellvertretende Küchenchefin in Italien nicht in betrunkenem Zustand beginnen. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte sie, auf der Stelle nach New York zurückzufliegen, verwarf die Idee jedoch gleich wieder. Ohne Job, ohne Geld und ohne Beziehung im stickig heißen New York zu enden, war auch keine Alternative. Also fiel sie in den gemeinsamen Trinkspruch »auf den Erfolg der Trattoria Dia« ein, zählte im Geiste die Tage, bis ihre Zeit in San Casciano abgelaufen war, und achtete darauf, ihr Glas Champagner nicht auf einmal hinunterzukippen.
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B
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