Kuessen al dente - Roman
nächsten Wortgefecht mit »Much Bruno« explodieren würde, war so sicher wie das Amen in der Kirche.
Stunden später war die Küche ein summender Bienenstock. Bruno brüllte Anordnungen, Effie rannte im Zickzack zwischen Kühlschrank und seiner Station hin und her, Tonio
verfluchte jeden, der seinen Weg kreuzte, und Vanessa bewachte ihren Herd wie ein Secret-Service-Mann den Präsidenten. Obwohl sie für eine private Küche riesig war, eignete sie sich für den professionellen Gebrauch dennoch nicht, und die Crewmitglieder konnten es kaum erwarten, ins Restaurant umzuziehen, wo sie nicht jedes Mal Gefahr liefen, Harakiri zu begehen, wenn sie sich mit einem Santoku-Messer in der Hand umdrehten. Die Fertigstellung der Trattoria Dia hinkte dem Terminplan jedoch weit hinterher: Das jüngste Problem war die letzte Gipsschicht der Wände, die nicht richtig getrocknet war. Inzwischen begann selbst die unerschütterliche Claudia nervös zu werden.
Georgia bereitete gerade ihr Ragout zu, ihr überaus köstliches Ragout, wenn sie das sagen durfte (und warum auch nicht, nachdem alle anderen es auch sagten), als sie das Quietschen von Brunos Clogs hörte. Er pflanzte sich so dicht hinter ihr auf, dass sie seinen warmen Atem im Nacken spürte.
»Was soll das werden?«
»Ragout.«
»Und wo ist das Glas?«, fragte er glucksend, und sein Bauch waberte dabei wie ein umgestürzter Wackelpudding. »Oder hast du das Beweismaterial bereits entsorgt? Vielleicht sollte ich stattdessen nach einer Konservendose Ausschau halten. Wie ich hörte, liebt ihr Amerikaner Dosenragout.« Er fing an, ostentativ zwischen Töpfen und Pfannen herumzusuchen, Schubladen aufzuziehen und in den Schränken zu kramen, während er dabei seine Suche lauthals kommentierte, damit es alle anderen in der Küche auch ja mitbekamen. Vanessa verdrehte die Augen.
Wenn es das zweite oder dritte Mal gewesen wäre, dass er an ihren Kochkünsten herummäkelte, weil sie Amerikanerin war, hätte Georgia vielleicht darüber hinweggesehen. Aber
es war schon das vierte oder fünfte Mal, und sie hatte die Schnauze endgültig voll. Während Bruno noch damit beschäftigt war, die Küche auf den Kopf zu stellen, füllte sie ein paar Schöpflöffel voll Sauce in einen kleineren Topf, gab schnell eine gehörige Portion gemahlenen Cayennepfeffer dazu und rührte ihn unter. Als sie sich über den Topf beugte, um an der neuen Sauce zu riechen, brannte ihr der Pfeffer in der Nase.
»Wenn du so sicher bist, dass eine Amerikanerin kein Ragout kochen kann, dann probier doch mal«, sagte Georgia laut. »Ich hab sogar einen Löffel für dich.«
Bruno stapfte herbei und ignorierte den angebotenen Löffel mit einer abwehrenden Handbewegung. »Welche?«
»Fang mal mit der Sauce da an.« Sie zeigte auf den größeren Topf.
Er probierte mit seinem eigenen Löffel. »Urgh«, machte er und verzog das Gesicht. Dann tauchte er seinen Löffel in die Cayenne-Mischung, legte den Kopf zurück und ließ die Sauce durch die Kehle rinnen. »Scheiße!«, schrie er. Tränen liefen ihm über die Wangen, als er zum Spülbecken rannte und dabei Tomatenstückchen auf den Boden spuckte. »Viel zu scharf. Verflucht!«
»Echt?«, feixte Georgia. »Tut mir leid. Aber du verlangst doch immer ›mehr Schärfe‹, deshalb dachte ich, die hier würde eher deinen Geschmack treffen.« Sie ließ Wasser in ein Glas laufen und reichte es ihm. »Hier, trink was.«
Bruno starrte sie aus wässrigen Augen an, trank aber das angebotene Wasser. Vanessa und Effie lachten aus vollem Halse, und sogar Tonio kicherte. Georgia drehte Bruno den Rücken zu und gestattete sich ein triumphierendes Lächeln. Das war blöd gewesen, kleinlich und kindisch. Aber, Mann, es fühlte sich verdammt gut an.
Die Küche war zum Glück noch leer, nur das Gurgeln der Espressomaschine, die Georgia angestellt hatte, war zu hören. Sie gähnte so herzhaft, dass sie sich hinterher die Wangen massieren musste, ehe sie ihren Kaffee trinken konnte. Dank der Hühnerschar nebst stimmgewaltigen Hähnen, die unter ihrem Schlafzimmerfenster campierte, war sie schon bei Tagesanbruch wach geworden. Nach ein paar Drehungen und Seitenwechseln hatte sie sich aus dem Bett gerollt und ihre Laufschuhe angezogen. Ihr Bauch nahm seit ihrer Ankunft in Italien immer mehr beuteltierartige Formen an, und ohne sportliche Betätigung konnte sie sich die täglichen Nudel- und Käseportionen bald nicht mehr leisten. Die einzige Kraftanstrengung, die sie sich bisher
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