Kuessen al dente - Roman
runo trieb sie zum Wahnsinn. Es war Tag fünf in Georgias Leben als Souschef, und ihr Boss brachte sie schier um den Verstand. Alles an ihm nervte sie: seine Knopfaugen, die jede ihrer Bewegungen akribisch verfolgten, sein Daumen mit dem verkorksten Nagel, den er in ihre Saucen steckte, das gurgelnde Räuspern, das seine Kommandos begleitete — »mehr Schärfe, weniger Salz!«, waren seine bevorzugten Anti-Georgia-Ermahnungen. Und es war sonnenklar, dass er sie ebenfalls nicht ausstehen konnte. Mit einem Nasekrausziehen, als hätte er gerade geniest, verkostete er alles, was sie kochte. Er grunzte, wenn er es nicht verabscheute, und unterdrückte ein vorgetäuschtes Würgen, wenn es ihm nicht schmeckte. Und anschließend erinnerte er sie daran, als hätte er es nicht schon tausendmal getan, dass die einzigen Menschen, die italienisches Essen kochen könnten, naturgemäß Italiener seien. Ihn ausgeschlossen. Seine Kochkünste waren zuverlässig, gleichbleibend gut, manchmal sehr gut. Aber sie ließen die Anflüge von Brillanz vergessen, die Georgia von einem Chefkoch in einem Restaurant von Claudia Cavalli erwartete. Dass er ihr Vorgesetzter war und nicht umgekehrt, ärgerte sie maßlos.
Mit schwerem Kopf und noch schwereren Beinen schleppte sie sich an diesem Morgen in die Küche, wieder einmal als Letzte. Bruno saß vor einem aufgeklappten Laptop am Tisch und las etwas vom Monitor ab. Die ganze Küchencrew stand um ihn herum, die Köpfe vorgestreckt, um besser hören zu können, was er sagte. Niemand schien Georgia zu bemerken.
»La carne di cervo, la cui consistenza fa riccordare la suola di scarpe «, las Bruno vor, « con quali veniva ballato troppo lungo il tip-tap nella pioggia. « Er warf den Kopf in den Nacken und schnaubte. Die anderen kicherten und jemand – es klang wie Elena — sagte etwas, worauf die anderen noch mehr kicherten.
Georgia schlich sich näher heran und wünschte, ihr Italienisch wäre besser.
» La faraona, una scelta incerta, perfino fatta di mani più abili … «
Es ging definitiv um Essen.
»… rassomiglia una massa scivolosa di plastilina …«
Es ging definitiv um ihr Essen. Sie kannte diese Worte so gut, sie hätte sie auch auf Mandarin verstanden. Bruno las ihre vernichtende Mercedes-Kritik vor, laut, vor allen ihren brandneuen Kollegen. So viel zu ihrem Neustart; dank Bruno ertrank sie wieder in einem Meer von versalzenem Rehrücken und fettem Perlhuhn. Selbst für einen ungehobelten Klotz wie Bruno war das unterste Schublade.
»Guten Morgen, alle miteinander«, rief Georgia und zwang sich zu lächeln. »Wie es aussieht, amüsiert ihr euch blendend.«
Vanessa drehte sich um, aschgrau im Gesicht. »Georgia. Wir haben dich nicht reinkommen gehört.«
»Nein, das scheint mir auch so.«
Bruno grinste dreckig. »Wir lesen gerade eine Kritik.« Er machte sich nicht die Mühe, die Seite wegzuklicken.
»Tatsächlich? Welche Kritik denn?«
»Deine.« Bruno kicherte. »Die mieseste Kritik, die mir je untergekommen ist.«
»Immerhin bekam sie eine Kritik«, meinte Effie, die Bohnenstange, versöhnlich.
»Es war ja auch nicht alles schlecht«, setzte Vanessa hinzu. »Sie schreibt, die Pasta war gut. Und das Risotto.«
»Pah«, blaffte Bruno. »Seit wann gibt es einen Amerikaner, der Pasta kochen kann?«
»Meinst du das jetzt ernst, Chef?«, fragte Effie. »Was ist dann mit deinem Idol, Molto Mario?«
»Er hat italienisches Blut!«, erklärte Bruno und klappte den Laptop zu. »In Marios Adern fließt italienisches Blut. Das macht ihn zu einem Italiener!« Als Huldigung an Mario Batali trug Bruno rund um die Uhr orangerote Crocs und Shorts. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sich seine zotteligen braunen Haare wachsen und sie orange färben würde. Hinter seinem Rücken nannte ihn die Küchencrew »Much Bruno«.
Vanessa kam zu Georgia herüber. »Es tut mir leid, Georgia. Bruno hat uns erzählt, er wolle uns etwas Interessantes zeigen. Wenn ich gewusst hätte, was das ist, hätte ich ihn ignoriert.«
»Es ist ja nicht so, dass diese Kritik strengster Geheimhaltung unterliegt«, gab Georgia zurück. »Ich hatte nur gehofft, dass ich das alles hinter mir lassen könnte.«
»Dann lass es hinter dir.« Vanessa schob ihren Arm unter Georgias. »Komm, holen wir uns einen Kaffee.«
»Gute Idee.« Sie ging an Bruno vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Bis Claudia zurückkäme, würde sie sich zusammenreißen, die Klappe halten und kochen. Denn dass sie beim
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