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Kuessen al dente - Roman

Kuessen al dente - Roman

Titel: Kuessen al dente - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Nelson
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die mindestens achtzig Kilometer von der Stadt entfernt lagen. Das hier war die Toskana, wo der größte biologische Gemüsegarten, den Georgia jemals gesehen hatte, direkt vor ihrem Schlafzimmer lag. Sie schnappte sich einen Notizblock und einen Kugelschreiber und schrieb das Rezept auf. Wenn alles gut liefe, würde sie das Gericht in das Kochbuch übertragen, damit es exakt so nachgekocht werden konnte, wie sie es zubereitet hatte.
    Sie wusch und schnitt drei violette Artischockenherzen zurecht, die im heißen Wasser leider ihre schöne Farbe verlieren würden, und schälte einen Bund bleistiftdünnen Spargel. Anschließend schnitt sie einige junge Zucchini in hauchdünne Scheiben. Sie nahm drei Lauchstangen, zerteilte sie der Länge nach, um den Sand gründlich abspülen zu können, und hackte dann die weißen, hellgrünen und ein wenig der dunkelgrünen Teile klein. Als Nächstes pellte sie eine Handvoll junge Erbsen aus den Schoten, schnitt eine Fenchelknolle in feine Streifen und auch noch eine zweite, wusch das Grün sowie einen Bund Basilikum und einen Bund Minze und schüttelte alles trocken. Am Schluss würfelte sie einige Schalotten. Nachdem das Gemüse vorbereitet war, setzte sie den Reis für das Risotto auf, die Unterlage für die Torta a strati di primavera , oder Frühlingstorte, an der sie seit ihrer Ankunft herumfeilte, und von der sie hoffte, dass sie es zur Spezialität des Hauses schaffte. Sie wollte sechs Törtchen herstellen: drei mit Artischocken und drei mit Spargel.
    Das Kniffligste dabei war der Reis. Er musste fest genug sein, um die Form zu behalten und die verschiedenen Gemüselagen zu tragen, ohne pappig zu werden, der Tod eines jeden Risottos. Sie schmorte die Schalotten an, den Fenchel und
den Lauch, gab die entsprechende Menge Carnaroli-Reis dazu, den sie dem Arborio vorzog, und löschte das Ganze mit Pinot Grigio ab. Danach fügte sie nach und nach die Frühlingsgemüse hinzu. Nachdem der Reis die Flüssigkeit aufgesogen hatte und gequollen war, löffelte sie ihn in sechs sichelförmige Backformen, setzte sie in eine gläserne Kasserolle und schob diese in den Ofen, um den Reisboden so lange zu backen, bis er die richtige Konsistenz hatte. Anschließend belegte sie die Halbmonde noch in der Form mit Spargel beziehungsweise Artischocken. Darauf folgten eine Lage Pesto aus Basilikum und Pinienkernen, die kurz angebratenen Zucchinischeiben und der weich gegarte Fenchel. Zum Schluss gab sie die pürierten jungen Erbsen darüber. Vorsichtig entfernte sie dann die erste Form und wurde mit einem beinahe perfekten Törtchen in Halbmondform belohnt, das sie mit einer Soße von roten Paprikas besprenkelte. Neben die Torte platzierte sie einen Klecks gekühlten Basilikum-Minze-Sformato und umrahmte diesen mit Minzeblättern, bis er aussah wie eine Sonne. Die Sonne und der Mond, sole e luna , mehr konnte man von einer Vorspeise nicht erwarten.
    Das Gericht war so schön anzuschauen mit den kontrastreichen Farben und dem stimmigen Verhältnis von Gericht zur Tellergröße, dass Georgia es kaum übers Herz brachte, das kulinarische Kunstwerk zu zerstören. Umso glücklicher war sie dann, als ihre Gabel mühelos durch die einzelnen Lagen glitt, ohne Zuhilfenahme eines Messers, und die Portion den Weg in ihren Mund fand, ohne von der Gabel zu rutschen. Und der Geschmack, die Textur, nun, all das war einfach … erhaben, ja, das war der Ausdruck, der Georgia dabei in den Sinn kam. Sie hasste es, im Jargon einer Kritikerin zu denken, aber es war die reine Wahrheit. Das musste die Spezialität des Hauses werden.

    Sie holte das Kochbuch und schrieb das Rezept in Schönschrift nieder. Dabei flammte in ihren Gedanken kurz die Horrorvision auf, dass Bruno oder Tonio ihr Rezept stehlen und es als das ihre ausgeben könnten. Aber sie waren ja jetzt alle Freunde, und besonders nach Claudias Teamwork-Einschwörungsrede würde das niemand wagen. Sie schloss das Buch. Nein, das würde niemand wagen.
    Nach einer hastigen Aufräumaktion verließ sie die Küche und schlich sich auf dem von Rosen gesäumten Weg zurück in die Villa. Die Luft roch nach Sommer, und am Himmel funkelten die letzten Sterne. Auf halbem Weg blieb sie stehen und richtete ihren Blick auf den Horizont. Obwohl sie die Hügelketten in der Ferne nicht ausmachen konnte, genügte es ihr zu wissen, dass sie da waren. Eingehüllt in den Duft der Rosen und der taufrischen Wiesen, fühlte sie sich glücklich und zufrieden. Wenn das Leben wirklich

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