Kuessen al dente - Roman
hatte es getan. Sie hatte mit einem Mann Sex gehabt, der nicht Glenn war. Und der Sex war sogar noch besser gewesen, als sie gehofft hatte, dazu ohne jede Peinlichkeit oder Verlegenheit. Sie setzte sich auf die Toilette und
zwang sich zu pinkeln – unter keinen Umständen wollte sie nach so einer Sexorgie eine Harnwegsinfektion riskieren.
Anschließend wickelte sie sich in den kuscheligen Bademantel, der an der Tür hing, und ging hinüber in den Salon. Dort machte sie es sich mit einem Glas Wein und Caponata und Ancini , Auberginengemüse und frittierten Reisbällchen, auf dem Sofa gemütlich und schaute sich eine Wiederholung von Saturday Night Live an, die synchronisiert noch viel lustiger war als im Original.
Als sie später neben ihrem immer noch schnarchenden Liebhaber unter die Laken schlüpfte, hatte sie entschieden, dass essen, trinken und lachen — und das ganz allein — in einer luxuriösen Hotelsuite in Sizilien nicht die schlechteste Art war, einen Abend zu verbringen, zumal wenn man vorher großartigen Sex mit einem überaus attraktiven italienischen Weinfreak gehabt hatte. Ob es die beste Art war, zwei Jahre lang die Abende zu verbringen, ließ sie erst einmal offen.
Georgia stand am Strand. Glasklares Wasser umspülte ihre Beine, während sie ihre Zehen im weichen Sand vergrub. Wenn sie die Augen zusammenkniff, glaubte sie, die afrikanische Küste in der Ferne ausmachen zu können. Marokko? Algerien? Sie strich mit gespreizten Fingern durchs Wasser und schreckte einen Schwarm gelber Fische auf, die pfeilschnell an ihrem Knie vorbeijagten. Über ihr spannte sich ein blitzblauer Himmel, hinter ihr erstreckte sich ein schneeweißer Sandstrand. Die Szene erfüllte alle Kriterien für einen kitschigen Liebesroman: exotischer sizilianischer Schauplatz, einsamer Strand, die Heldin im Bikini. Fehlte nur noch der junge, unwiderstehliche Sizilianer mit den breiten Schultern und dem Waschbrettbauch, der den Fluten entsteigt und im Gehen die lange Lockenmähne nach hinten schüttelt.
Stattdessen saß Mervi neben ihr auf einem großen Badetuch, das Gesicht dick mit Sonnencreme eingeschmiert, einen albernen Strohhut auf dem Kopf und die von Zinkcreme schimmernde Nase in einem Selbsthilfebuch vergraben. Da Gianni und Luigi sich mit der Investorengruppe zu einer Besprechung trafen, hatte Luigi ihr Mervi als Fahrer ausgeborgt und einen Ausflug in das Vendicari Naturschutzgebiet vorgeschlagen, ein unberührter Küstenstreifen ein paar Autostunden entfernt, und kurz darauf saß sie in einem limettengrünen Smart mit dem Hotellogo auf beiden Seiten. Die verwunschene Szenerie, die Oliven- und Orangenhaine, die zerklüftete Küste und das frische Grün entschädigten Georgia für die wenig luxuriöse Fahrt in dem winzigen Auto.
»Na, Georgia«, sagte Mervi, der sich zu ihr ans Wasser gesellte, »denken Sie ernsthaft über dieses Jobangebot nach?«
»Ja«, erwiderte sie. »Ich wäre verrückt, wenn ich das nicht täte, meinen Sie nicht auch?«
Er zuckte nur die Achseln.
»Die Möglichkeit, ein erstklassiges Restaurant aufzubauen, viel Geld zu verdienen, ein Apartment im Hotel …«
»Mit Zimmermädchen-Service«, warf er ein.
»Mit Zimmermädchen-Service«, wiederholte sie. »Wie könnte ich nicht darüber nachdenken?«
Neben all den Vergünstigungen, die Luigi erwähnt hatte, bot dieser Job ihr auch die Gelegenheit, ihr New Yorker Leben aufzugeben und sich in dem beschaulichen Taormina einzurichten. Wenn man einen attraktiven Weingutbesitzer, der auch noch ein Knaller im Bett war, mit in die Waagschale legte, war das Angebot eigentlich viel zu gut, um es auszuschlagen. Abgesehen von einem Punkt: Sie liebte ihr New Yorker Leben. Nicht alles natürlich, aber doch große, grundsätzliche Teile davon: den Central Park, ihre Freunde, Sushi,
Mohn-Bagels, die New York Times , sonntagnachmittags shoppen zu gehen, riesengroße Eiskaffees … und Sally. Ach, was würde sie für nur fünf Minuten mit ihrem Liebling geben!
Mervi testete mit einen Fuß das Wasser. »Uh, eiskalt«, befand er. »Ich gehe nicht rein.« Er verzog sich wieder auf sein Handtuch und zu seinem Buch, nicht ohne sich vorher die käsige, unbehaarte Brust mit Sonnencreme einzureiben.
Georgia machte ein paar Schritte, bis das Wasser gerade ihre Knie umspülte. Grammy hätte sie wegen ihrer Zaghaftigkeit gescholten. Sie hatte sich immer mutig in die eiskalten Fluten des Silver Lake gestürzt, der auch Ende August nicht richtig warm wurde, und
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