Kuessen al dente - Roman
einer Reihe Weinstöcke entlang, an denen dicke dunkelrote Trauben hingen. Georgia stand der
Schweiß auf der Stirn. Ihre Haarflut hatte sie vorsorglich mit einer halben Dose Haarspray gebändigt, an den Kopf geklebt und im Nacken mit einem Knoten fixiert – der Kräuselfaktor in diesen Breiten brach alle Rekorde.
»Ist das nicht ein unglaublich schönes Plätzchen?«, sagte Gianni.
»Ja, ist es.« Allein die Fahrt von Taormina hierher, die über sonnenverbrannte Hügel, durch Kastanienwälder und an den Ruinen einer jahrhundertealten, aus Lavastein erbauten Stadt vorbeiführte, war den Besuch der Winzerei von Giannis Freund wert gewesen, dessen Weinberge den südlichen Hang des Vulkans hinaufkletterten.
»Genauso schön wie du.« Er küsste sie auf die Lippen.
Georgia lächelte. Diese schmalzigen Komplimente kamen ihm so leicht über die Lippen, dass sie schon beinahe etwas Charmantes hatten. Bei jedem anderen wäre sie nicht so nachsichtig gewesen.
Gianni pflückte eine Traube ab und zerquetschte sie zwischen Daumen und Zeigefinger. »Siehst du?« Er hielt ihr das matschige Fruchtfleisch vors Gesicht. »Das ist eine Nerello-Mascales-Traube, die hier am Ätna beheimatet und in Kürze reif ist. Bald wird La Vendemmia beginnen.«
Die Weinlese in Italien nahm in Sizilien ihren Anfang und setzte sich den Stiefel hinauf fort, erreichte Apulien, Kampanien und die Toskana, dann folgten das Veneto, Piemont und schlussendlich Südtirol, das nördlichste Weinanbaugebiet des Landes. Überall wurden Feste zum Dank für die reiche Ernte gefeiert, und es war um diese Zeit nahezu unmöglich, nicht in eine dieser Feierlichkeiten zu geraten.
»Nächstes Jahr kommen wir zur Weinlese hierher. Am Abend des ersten Erntetages treffen sich alle in der Cantina zu einem Festmahl, und anschließend wird gefeiert. Die eigentliche
Arbeit fängt dann erst am nächsten Tag an … wenn wir schon wieder im Lazarro sind.« Er steckte sich die zermatschte Traube in den Mund und leckte den Saft von seinen Fingern. »Was hältst du davon?«
Vor Georgias innerem Auge tauchte Lucille Ball auf, die irgendwo in Italien barfüßig in einem Bottich Weintrauben stand und diese zu Saft zertrampelte. Grammy hatte die Serie I Love Lucy geliebt, die dank der zahlreichen Wiederholungen ständig irgendwo lief. Diese Episode hatte damit geendet, dass Lucy sich mit ihrer Rivalin in voller Montur in einem Bottich mit Trauben gebalgt hatte. Bei der Erinnerung daran musste Georgia laut lachen.
»Darf ich das als Zustimmung werten?«
»Ich musste gerade an eine lustige Fernsehserie denken, die ich mir immer mit meiner Großmutter angesehen habe.«
Gianni musterte sie einen Moment, ehe er ihr die Hand hinstreckte. »Komm, gehen wir was trinken.«
Sie stiegen den Hang wieder hinauf zum Haupthaus, der so trocken und steinig war, dass Georgia sich wunderte, dass auf diesem Boden überhaupt etwas wuchs. Die in einem hellen Rosa getünchte Villa war im Barockstil erbaut, mit Bogenfenstern, schweren Eichentüren und Romeo-und-Julia-Balkonen. Auch die typische Flügeltreppe fehlte nicht – perfekt für dramatische Abgänge –, die zu einer Terrasse mit Blick über den Weinberg führte.
Sie folgten einem gewundenen Pfad zu einer kleinen Veranda an der Schmalseite der Villa. Die mit dunkelroten Bougainvilleas überwachsene Pergola spendete Schatten und machte die Veranda zu einem lauschigen Plätzchen. In der Ecke neben einer Bogentür versteckt, stand eine Bar mit Kühlschrank und Spüle.
»Mein Freund Ilario hat gesagt, wir sollen uns wie zu
Hause fühlen.« Gianni machte den Kühlschrank auf und holte eine Flasche Mineralwasser und eine Flasche Weißwein heraus. »Für Rotwein ist es zu heiß, finde ich.« Er warf einen Blick auf das Etikett und runzelte die Stirn. »Hm, nicht gerade mein Lieblingswein, aber das muss man Ilario ja nicht auf die Nase binden.«
Während er den Wein einschenkte, kniete Georgia sich vor den offenen Kühlschrank und fand ein Stück Pecorino, eine Packung Cracker und ein Glas mit grünen Oliven – mehr brauchte man nicht für einen kleinen Snack. Sie arrangierte alles auf einem Holzbrett, das neben dem Spülbecken lag, und stellte es auf den Tisch.
»Auf dein Wohl«, sagte Gianni und erhob sein Glas.
»Und auf das deine«, antwortete Georgia. »Ich kann dir gar nicht genug für diese Reise danken. In den beiden Tagen habe ich so viel von Sizilien gesehen, dass es mir vorkommt, als sei ich schon eine Woche hier. Schade, dass wir
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