Küssen auf eigene Gefahr
wirklich überhaupt nichts einzuwenden. Er stemmte die Füße auf den Boden, packte seinen Stuhl an der Sitzfläche und rückte ihn mit Schwung einen halben Meter näher an Catherine heran. Er hätte am liebsten die Hand ausgestreckt und damit über ihren glatten Oberschenkel gestrichen, der unter dem Schoß seines Hemdes hervorsah, stattdessen umklammerte er jedoch weiter die Sitzfläche seines Stuhls. »In Ordnung. Solange du dir darüber im Klaren bist, dass ich hier das Kommando habe.« Er hatte zwar bisher so gut wie alles falsch gemacht, aber das würde ihm nicht mehr passieren, und dazu musste er die Kontrolle behalten. Er war verantwortlich für Catherines missliche Lage, und er würde dafür sorgen, dass sie das alles bald hinter sich hatte.
»Natürlich, Sam«, erwiderte sie, und bei ihrem nachgiebigen Ton verengten sich seine Augen argwöhnisch. »Etwas anderes würde ich doch nie wollen.«
Er hätte wissen müssen, dass es zu schön war, um wahr zu sein. Himmel, er hatte es gewusst, aber er war blöd genug gewesen, darauf hereinzufallen.
»Verdammt, Catherine, ich sage dir doch, dass wir uns das nicht leisten können«, erklärte er ihr zwanzig Minuten später. Er lief mit eingezogenen Schultern durch den Nieselregen neben ihr her in Richtung der einzigen Tankstelle des Ortes.
»Wir können es uns nicht leisten, irgendetwas anderes zu tun«, widersprach sie. »Chains glaubt, dass wir in dem Bus sind. Ein Auto zu mieten kommt uns auf längere Sicht billiger, als ihm in die Arme zu laufen.« Sie sah ihn mit ihren großen grünen Augen eindringlich an. »Vertrau mir. Habe ich bis jetzt nicht immer Recht gehabt?«
»Na toll, reit nur darauf herum.« Er kickte verärgert einen Stein weg. Doch dann riss er sich zusammen und fuhr so gleichmütig er konnte fort: »Ach, was soll's - vermutlich hast du Recht. Garys Fischerhütte kann ich sowieso vergessen.«
»Betrachte es mal von der positiven Seite, Sam. Greyhound übernimmt die Motelrechnung für letzte Nacht, und du kannst dir höchstwahrscheinlich den Preis für die restliche Strecke bar ausbezahlen lassen. Das sollte die Kosten doch um einiges reduzieren.« Sie warf ihm unter gesenkten Wimpern einen kurzen Blick zu. »Es ist wirklich zu schade, dass wir keine Campingausrüstung dabeihaben. Dann könntest du dir das Geld für die Übernachtung auch noch sparen.«
Er musterte ihren unschuldigen Gesichtsausdruck. »Es macht dir wirklich Spaß, wenn du mir das Gefühl vermitteln kannst, dass ich ein Geizkragen bin, was? Das bin ich aber nicht. Ich hatte einfach nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung, und ich musste einen bestimmten Termin einhalten, und ich habe mein Bestes getan, damit zurechtzukommen und mein Ziel zu erreichen.«
Catherine war gerührt. Sein Ziel war in unerreichbare Ferne gerückt, und er hatte sich damit abgefunden. Er hatte sich deswegen kein einziges Mal beklagt, wie sie es mit großer Wahrscheinlichkeit getan hätte.
Ihr war allerdings klar, dass er ihr Mitgefühl im Augenblick nicht besonders schätzen würde. Er war wieder auf seinen professionellen Verhaltensmodus eingeschwenkt und wirkte ziemlich distanziert. Deshalb sagte sie nur kühl: »Gut zu wissen. Dann dürfte es dir ja nichts ausmachen, mir ein paar Sachen zum Anziehen zu kaufen, oder?«
Sie war sich nicht sicher, ob ihr das Funkeln in seinen Augen gefiel. »Etwas richtig Weites?«, fragte er. »So wie die Bluse, die dir am ersten Tag der Junge mit seinem Traubensaft ruiniert hat?«
»Ja.«
»In Ordnung! Aber denk dran und werd jetzt bitte nicht gleich wieder sauer: Ich habe kein sehr üppiges Budget.«
»Schätzchen, das weiß ich doch. Aber ich bin überzeugt, dass es irgendwo in diesem Staat einen Discountladen gibt.«
Sie fanden einen in Laramie. Weiter hätten sie mit dem Wagen, den sie sich vom Besitzer der Tankstelle geliehen hatten, auch gar nicht fahren dürfen. Sie ließen ihn auf dem Parkplatz einer großen Autovermietung stehen, die sich um die Rückgabe kümmern würde, und mieteten ein etwas geräumigeres Auto, in dem sie beide Platz für ihre langen Beine hatten. Nachdem sie kurz bei dem Laden gehalten hatten, um ein paar neue Kleidungsstücke für Catherine zu kaufen, schlugen sie auf einer Schnellstraße den Weg in Richtung der Staatsgrenze zu Colorado ein.
Eineinhalb Stunden später lehnte sich Catherine auf den Ellbogen gestützt aus dem offenen Fenster, ließ ihre zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haare im Wind flattern und sog tief die
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